Costa Concordia-Kreuzfahrer aus Uerdingen: Todesangst im Rettungsboot

Konstantin Musiol war unter den 3000 Passagieren der Costa Concordia. Er war gerade dreieinhalb Stunden an Bord, als das Schiff den Felsen rammte.

Krefeld. „Das war der kürzeste Urlaub meines Lebens“: Seinen trockenen Humor hat Konstantin Musiol durch das Schiffsunglück vor der Insel Giglio nicht verloren. Gegen 18 Uhr hatte der 61-jährige frühere Bergmann von der Alten Krefelder Straße in Uerdingen mit seinem Cousin Gabriel Myrda in Civitaveccia bei Rom die Costa Concordia bestiegen. Dann ging es zum Abendessen („Wir gehörten zur ersten Gruppe“) und zur Show mit Magier Martin, der gerade eine knapp bekleidete Schöne verschwinden lassen hatte, als es um 21.42 Uhr plötzlich rumste und knirschte. „Erst haben wir gedacht, das gehört mit zur Vorführung.“ Einschließlich des Eindrucks, das Schiff sei „leicht nach links gekippt“. Das Publikum applaudierte.

Dann aber fallen Gläser von den Getränketischen im Theater, das Licht geht für ein paar Sekunden aus und die erste Durchsage erfolgt: „Bitte beruhigen Sie sich. Es ist nichts passiert. Wir haben nur ein elektrisches Problem. Der Elektriker ist schon unterwegs“. Als diese Durchsage in den folgenden zwei Stunden mehrfach wiederholt wird, fühlt sich Musiol regelrecht belogen. In der Piano-Bar fallen weitere Gläser und Flaschen um, der Bergmann a.D. kämpft sich durch zu seiner Kabine, aus der er die Rettungswesten, seine Digitalkamera, das Handy und die Jacken für sich und seinen Cousin holt. Wie die Westen anzulegen sind, weiß er nicht: „Die Seenotrettungsübung sollte erst am nächsten Tag stattfinden.“ Zeit, sich vor dem Essen in der Kabine das Video mit Verhaltensmaßregeln im Notfall anzusehen, hat er nicht. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Touristen trägt er Papiere und Geld im Brustbeutel.

Der Cousin befindet sich auf der zum Land und zur Wasserlinie hin geneigten Schiffsseite, Musiol auf der anderen, nach oben gerichteten: „Ich habe kein Wasser gesehen, nur den klaren Sternenhimmel“. Gegen 23.35 Uhr ertönt das Notfallsignal: siebenmal kurz, einmal lang. Dem 61-Jährigen ist endgültig klar, dass die Schnäppchenreise (535 Euro für eine Woche mit Flug) zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang wird. Kurz vor Mitternacht sitzt er in einem Rettungsboot. Doch die Schaluppe hängt an der Bordwand fest, Servicepersonal versucht, ein Tau mit einem Beil zu kappen, doch der Stiel bricht. Musiol: „Ich dachte, jetzt bist du im Rettungsboot und musst trotzdem sterben.“

Doch alles geht gut. Um 0.35 Uhr hat er den Boden der Insel Giglio unter den Füßen, um 1.45 Uhr den Cousin wiedergefunden. Die Nacht verbringen sie mit vielen anderen Schiffbrüchigen in einer Kirche, auf der Fähre zum Festland hat er am nächsten Morgen gegen 9.30 Uhr telefonischen Kontakt mit der Familie. Bevor er in den Bus nach Rom steigt, gibt es warmen Tee und einen Imbiss im Zelt. Der deutsche Botschafter empfängt die geretteten Kreuzfahrer in einem Hotel am Flughafen, Mitarbeiter organisieren die Rückflüge. Das hat Konstantin Musiol beeindruckt. Auf der Anreise hatte die Reederei gut 30 ihrer Kunden auf dem Flughafen Fiumicino alleingelassen: „Wir mussten uns zum Busbahnhof durchfragen. Da stand keiner in der Ankunft mit einem Schild.“

Halina Musiol holte ihren Bruder vergangenen Samstag um 18 Uhr am Düsseldorfer Flughafen ab — exakt 24 Stunden, nachdem er die Costa Concordia betreten hatte.

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