Krefeld Bürgerwerkstatt zum Seidenweberhaus: Im Widerstreit der Extreme

Seidenweberhaus abreißen oder erhalten? Eine schwierige Frage bei der bisher größten Bürgerwerkstatt. Sie erarbeitete viele kreative Vorschläge für den Theaterplatz.

Krefeld: Bürgerwerkstatt zum Seidenweberhaus: Im Widerstreit der Extreme
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. „Die Zukunft des Seidenweberhauses ist eine der emotionalsten Debatten in Krefeld, bei der Herzblut und Galle zu Tage treten“, brachte es Frank Meyer zur Begrüßung der Gäste im Glasfoyer des Stadttheaters auf den Punkt. Der Oberbürgermeister verwies darauf, dass das in die Jahre gekommene Gebäude aus den 1970er-Jahren auch Glanzmomente erlebt hat, so etwa 1983 bei der Philadelphiade, als der Besuch von Ex-US-Präsident Bush Senior die Blicke der Welt auf Krefeld lenkte.

Krefeld: Bürgerwerkstatt zum Seidenweberhaus: Im Widerstreit der Extreme
Foto: Andreas Bischof

Meyer machte deutlich, dass man 120 Bürger zur Ideenwerkstatt eingeladen habe, weil man die Entscheidung über das Seidenweberhaus (SWH) und sein Umfeld nicht nur Eliten und Experten überlassen wolle. „Das ist Ihre Stadt“, sagte er.

Krefeld: Bürgerwerkstatt zum Seidenweberhaus: Im Widerstreit der Extreme
Foto: Andreas Bischof

Eingeteilt in neun Gruppen, machten sich die Teilnehmer mit Engagement an die Arbeit. Einzige Vorgabe von Elke Frauns von der begleitenden Kommunikationsagentur war, kreativ zu sein, ohne Rücksicht auf die spätere Finanzierung der Projekte, und auch andere Meinungen gelten zu lassen und nicht zu überstimmen. Zuerst waren die Teilnehmer aufgefordert, kurz die Ergebnisse aus der Expertenrunde des Vorjahres zu kommentieren.

Einige Gruppen taten dies, andere sagten selbstbewusst: „Die Experten sind heute wir.“ Die Ergebnisse nach gut zwei Stunden brachten eine Fülle von Anregungen, die das ganze Spektrum unterschiedlicher Vorstellungen widerspiegelten.

So gab es in fast allen Gruppen Teilnehmer, die sich für oder gegen den Erhalt des Seidenweberhauses aussprachen. Zwischen „hässlichem Betonklotz“ und „schönem Zeitzeugen“ schwankten die Extreme. Eine eindeutige Mehrheit war nicht auszumachen. Unter den Abrissbefürwortern gab es Vorschläge, ein neues Veranstaltungsgebäude auf dem Theaterplatz zu bauen, eventuell aber neben dem Theater und nach Süden ausgerichtet.

Andere sahen einen Neubau eher an einem ganz anderen Ort, bevorzugt südlich des Hauptbahnhofs. Ein Neubau sollte eher kleiner, aber flexibler nutzbar sein — bei einer maximalen Kapazität von 1000 Besuchern (jetzt rund 1400).

Freunde des Erhalts des SWH traten für eine technische wie optische Sanierung ein, für eine flexiblere Nutzung des bestehenden Raums oder auch der Terrassen für Gastronomie. Selbst für einen teilweisen Rückbau des SWH gibt es Zustimmung, um den Abstand zur Mediothek zu vergrößern und um Platz Richtung Ostwall zu schaffen. Sei es für ein weiteres Gebäude oder für die Anlage eines begrünten, parkähnlichen Platzes. Als ergänzende Gebäude wurden ein Hotel, ein Kongresszentrum und eine Markthalle genannt.

Zur künftigen Nutzung des Platzes gab es bei den Teilnehmern bis auf Gestaltungsnuancen keine zwei Meinungen. Gewünscht wird ein lebendiger, barriere- und angstfreier Raum, optisch anziehend gestaltet, der Mittelpunkt eines Kulturzentrums mit Märkten, Open-Air-Veranstaltungen und netten Lokalen bei Tag und Nacht ist. Ebenso unstrittig war, dass die Drogenszene dann verschwinden müsse.

Damit nicht genug der Übereinstimmung. Vielfach gefordert wurde eine Sichtachse, die sich vom Rathaus über die Carl-Wilhelm-Straße und den Theaterplatz bis zum Ostwall erstreckt — eine Idee, die auch die Expertenrunde schon geäußert hat. Ebenfalls einig war man sich weitgehend beim Beruhigen und Einbinden der St.-Anton-Straße, zum Beispiel mit Tempo 10 oder 30. Wiederholt kamen auch Vorschläge für Fußgängerbrücken zur Innenstadt hin. Die Tiefgarage soll bleiben, aber über bessere Zufahrtswege, etwa vom Ostwall aus, sowie über eine öffentliche Toilettenanlage solle nachgedacht werden.

Die Teilnehmer berichteten zum Teil von heftigen, aber gleichzeitig fairen Diskussionen. Bei der Präsentation der Gruppenergebnisse teilte man sich den Vortrag mit Mitgliedern, die eine andere Meinung vertraten. Der Beigeordnete Martin Linne fand die Disziplin der Teilnehmer angesichts der unterschiedlichen Meinungen beeindruckend. Er skizzierte das weitere Vorgehen bis zur Entscheidung über das Seidenweberhaus (siehe Kasten).

Eine Talk-Runde aus Verantwortlichen von Krefelder Bürgervereinen hatte den Teilnehmern zuvor noch einige Anregungen gegeben. Auch in diesem Kreis wurde deutlich, wie sehr die Meinungen zwischen Abriss und Erhalt des SWH differieren. Carla Kaiser, Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Bismarckviertel, zitierte Stimmen aus ihrem Viertel. Senioren trauten sich wegen der Drogenszene abends nur per Taxi zu den Veranstaltungen und Kinder dürften deshalb nicht alleine zur Mediothek. Fazit aus dieser Runde: „Ein belebter Platz muss her.“

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