Brieffreunde seit 60 Jahren

Wilfried Krülls lernt den Engländer Peter Bowden bei einem Schüleraustausch des Fichte-Gymnasiums nach Leicester kennen. Das war 1958. Ihre Freundschaft hält bis heute.

Wilfried Krülls blättert in einem dicken Ordner voller Briefe. Vergilbtes Papier, alles fein säuberlich nach Jahrgängen sortiert und in Klarsichthüllen abgeheftet. Dann findet der 75-Jährige endlich, was er sucht: „Hier! Das war einer unserer ersten Briefe. Der ist vom 27. Februar 1958.“ Stolz holt er den Brief heraus und zeigt ihn vor. Die in Schönschrift verschnörkelte Tinte auf dem Papier ist schon leicht verblasst. Der Brief stammt von Peter Bowden, der heute in South End, Südengland lebt. „Peter hatte vor ein paar Tagen Geburtstag“, erzählt Wilfried Krülls. „74 ist er geworden. Da schicke ich dann auch schon mal ein Bild von mir mit.“

Wilfried Krülls, ehemaliger Fichte-Schüler

Wilfried und Peter schreiben sich nun schon seit 60 Jahren. Der erste Kontakt entstand durch das Austauschprogramm des Fichte-Gymnasiums nach Leicester. „Peter war Ostern 1958 zum ersten Mal in Krefeld. Die Schüler aus Leicester kamen damals zu uns.“ Auf der Burg Bischofstein, dem damaligen Landschulheim des Fichte-Gymnasiums, entstand der erste Kontakt, der zu einer langjährigen Freundschaft werden sollte.

Im Sommer 1959, mit 16 Jahren, fliegt Wilfried Krülls dann das erste Mal nach Leicester. Heute blickt er gerne auf diese Zeit zurück: „Man behält aus der Jugend einiges, aber leider lässt das später nach. Deshalb versuche ich alles festzuhalten, damit ich mich besser erinnern kann.“

Darum hat Wilfried Krülls auch alle Briefe so sorgfältig aufgehoben. Von 1959 bis 1993 hielten beide den Kontakt aufrecht, allerdings nur mittels Schriftverkehr. Das erfordert schon ein gewisses Maß an Standhaftigkeit, weiß Krülls heute: „Wir haben uns immer alles geschrieben und erzählt, Bilder von den Kindern und später Enkelkindern geschickt — damals noch alles per Brief. Mittlerweile ist das ja übers Netz und mit E-Mails deutlich einfacher.“ Sogar an seiner Hochzeit ließ Peter Bowden seinen deutschen Freund per Postsendung teilhaben: „Mein Highlight war, dass Peter uns damals, 1972, sogar ein Stück von seiner Hochzeitstorte geschickt hat. Und die konnte man sogar noch essen.“

Im Jahr 1993 dann besuchte Krülls seinen Brieffreund erstmals wieder in England, damals schon an dessen neuen Wohnort South End. „Es war sehr lustig, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Wir hatten ja beide geheiratet und Kinder bekommen und hatten uns demnach viel zu erzählen.“ Das nächste Treffen fand dann zu Peters 70. Geburtstag statt. Wilfried und seine Frau fuhren mit ihrem Wohnwagen zu Peter, um mit ihm zu feiern.

Die Freundschaft zwischen den beiden erfüllt den Krefelder bis heute mit Stolz: „Nun, 60 Jahre lang einen Brieffreund in einem anderen Land haben, den man selten sieht . . . Dass man da so eine gute Verbindung hat, das ist schon was Besonderes.“ Wenn Wilfried von Peter erzählt, glänzen die Augen des 75-Jährigen. Begeistert ruft er die Website der „Barber Shop Boys“ auf, des Chors, in dem sein britischer Freund mitsingt. In ihren Briefen schreiben die beiden Freunde in beiden Sprachen: Peter schreibt in Deutsch, Wilfried antwortet in Englisch. Jetzt im Sommer steht das nächste Wiedersehen an: Wilfried und seine Frau wollen Peter nach Krefeld einladen.

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