Krefeld Botschafter in Sachen Ausbildung

Das Projekt der IHK hilft Schülern bei der Berufsorientierung. Die WZ berichtet aus der Tucholsky-Schule.

Krefeld: Botschafter in Sachen Ausbildung
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Lehmheide. Montag, 12.10 Uhr, Kurt-Tucholsky-Gesamtschule, Klasse 10a: Bianca Burbach, Robin Hölscher, Philipp Hemmersbach und Jan-Alexander Gehle sind vier von 123 aktiven Ausbildungsbotschaftern der Region und an diesem Tag die heimlichen Stars der Schüler. Die vier Auszubildenden aus dem zweiten oder dritten Lehrjahr lernen derzeit verschiedene Berufe. Sie sind nur wenige Jahre älter als die Schüler vor ihnen und daher für die Jugendlichen glaubwürdiger als alle Eltern und Lehrer zusammen. Kein Schüler quatscht mit dem Nachbarn, keiner spielt mit seinem Handy. Klassenlehrerin Barbara von Renteln hat ihre 24 Schutzbefohlenen auf den etwas anderen Unterricht vorbereitet und erlebt sie so aufmerksam wie selten.

Das Projekt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Niederrhein funktioniert. Die jungen Ausbildungsbotschafter werden in einer eintägigen Schulung qualifiziert und von ihren Betrieben freigestellt, um über ihren Ausbildungsberuf und Werdegang in den 9. und 10. Klassen aller Schulformen zu berichten. Die Schüler lernen dabei nicht nur verschiedene Ausbildungsberufe, sondern auch ganz unterschiedliche Betriebe kennen. Die Botschafter machen ihnen Mut, sich zu bewerben, vermitteln realistische Vorstellungen und stellen Aufstiegschancen vor. Der Erfolg des Projekts liegt darin, dass alle Beteiligten profitieren. Die Schüler, aber auch die Schulen und Lehrkräfte, die Unterstützung aus der Praxis und motivierte Schüler bekommen.

Das sieht auch Schuldirektor Michael Schütz so: „Es ist immer besser, wenn jemand aus der Praxis berichtet.“ Die Ausbildungsbetriebe machen auf sich aufmerksam und gewinnen Nachwuchs, die Botschafter identifizieren sich mit ihrem Unternehmen und stärken ihr Selbstbewusstsein durch ihre Schulauftritte.

Es ist beeindruckend, mit welcher Selbstsicherheit die vier Botschafter vor der Klasse ihre Anliegen präsentierten und wie schnell das Berufsleben aus ihnen erwachsene Menschen gemacht hat. Bianca Burbach (22) lernt Kauffrau für Büromanagement beim mittelständischen Betrieb Polo Motorrad und Sportswear aus Jüchen. Zuerst hatte sie ein Studium für das Grundschullehramt begonnen, um dann festzustellen, dass eine duale Ausbildung und ein anderer Beruf besser zu ihr passen.

Ihr Kollege Robin Hölscher (20) lernt beim selben Betrieb Kaufmann für Groß- und Außenhandel mit anderen Schwerpunkten. Die Schüler nehmen mit, dass während der Ausbildung regelmäßig Abteilungswechsel erfolgen, um Unternehmen und Tätigkeiten kennenzulernen. Sie erfahren, dass die Ausbildung verkürzt werden kann und welche Fächer in der Berufsschule (zweimal wöchentlich) wichtig sind — wie etwa Englisch im Großhandel. Die beiden Botschafter berichten, wie spannend Betriebsprojekte für die Auszubildenden sind, an denen sie selbstständig mitwirken dürfen. So haben sie ein eigenes T-Shirt designt, das sich zum Verkaufsschlager entwickelt hat und fest ins Sortiment aufgenommen wurde. Man müsse nicht Motorrad fahren, aber eine Affinität zu den Produkten sollte man schon haben, sagen sie und geben Tipps zum Einstellungstest. So sollte man sich zuvor über die Homepage gut über den Betrieb informieren.

Während die beiden bei der Arbeit „Alltagsklamotten“ tragen, besteht für Philipp Hemmersbach (19) Anzugspflicht. Er lernt bei der Sparkasse Krefeld Bankkaufmann. Selbst vor den Schülern taucht er geschäftsmäßig gekleidet mit Krawatte auf und identifiziert sich so mit seinem Arbeitgeber. Er berichtet, dass die Arbeit bei einem Kreditinstitut abwechslungsreich ist, aber auch viele Routinearbeiten zu erledigen sind. Geduldig und abgeklärt beantwortet er Fragen der Schüler. Verlangt werden eine gute Allgemeinbildung sowie mündliche und schriftliche Ausdrucksweise. Auch sollte man wegen des Kontakts mit Kunden pünktlich und kommunikativ sein. „Ich war selbst nicht so das Mathe-Genie“, gesteht er und nimmt die Angst vor einem der gefürchtetsten Fächer. „Gute Grundkenntnisse genügen“, sagt er und empfiehlt Online-Tests. Vor einem Ausbildungsplatz stehe aber die Hürde eines Assessmentcenters — mit Diskussionsrunden und Kundengesprächen. Beispiel: „Ich musste einem Glatzkopf ein Haarwaschmittel verkaufen.“ Ein gutes Training, um später auch mit schwierigen Kunden zurechtzukommen.

Mit einem völlig anderen Berufsbild beschäftigt sich Jan-Alexander Gehle (20), der Mechatroniker bei TAG Composites & Carpets in Krefeld lernt. Für das Färben und Veredeln von Teppichen ist die Elektronik der Maschinen wichtig. Das lerne man in der dualen Ausbildung, zu der Werksunterricht und die Praxis gehören. Die Berufsschule läuft im Blockunterricht. Zusätzlich absolviert er eine Verbundausbildung bei einem externen Ausbildungsbetrieb in Krefeld, zum Beispiel, um den Umgang mit elektronischen Schaltungen zu erlernen. Realschulabschluss empfohlen, Mathe- und Physikkenntnisse nötig, auch frühes Aufstehen gehört dazu. Arbeit und Ausbildung beginnen um 6 Uhr. Karriereaussichten? „Ja, groß, zum Beispiel durch Weiterbildung zum Techniker, Meister oder Ingenieur.“ Betriebsrat und Gewerkschaft? „In vielerlei Hinsicht nützlich“, so das IG-Metall-Mitglied Gehle.

Derart viel Information müssen die Schüler erst einmal sacken lassen — auch über die unterschiedliche Lehrlingsvergütung und das Einstiegsgehalt der verschiedenen Arbeitgeber.

Klassenlehrerin von Renteln wünscht sich als nächstes den Besuch von Auszubildenden in Pflegeberufen. Die Klasse stand auch Pate bei der Ak-tion WZ-Texthelden.

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