Baulücken in Krefeld: Schandflecke mit Gestaltungsspielraum

Stadtplanung: Baulücken in der Stadt müssten als Möglichkeit und nicht als Defizit gesehen werden, sagt Monika Dallmann. Die Studentin hat ihre Diplomarbeit an der Hochschule Niederrhein 23 verwahrlosten Stellen in Krefeld gewidmet.

Krefeld. An einem Wochenende im Herbst setzt sich Monika Dallmann auf ihr Fahrrad und macht sich auf den Weg durch Krefeld. Es soll keine touristische Rundreise werden. Die 25-Jährige sucht Baulücken und Brachflächen in der ganzen Stadt. Sie will ihre Diplomarbeit im Fach Produktdesign an der Hochschule Niederrhein darüber schreiben. Und sie findet einige, fotografiert, katalogisiert, informiert sich über die vorherige Nutzung. 23 dieser Flächen nimmt sie in ihre Arbeit auf.

Einen Teil der Arbeit "Temporäre Bespielung von Baulücken am Beispiel Krefeld", die mit der Note Eins bewertet wurde, hat sie schon in die Praxis umgesetzt: Die neue Strandbar "Kingsbeach" an der Ecke Gladbacher Straße/Deutscher Ring ist auf ihr Engagement hin entstanden. "Eigentlich war das ganze ein Zufall", sagt sie. Sie kellnerte in der Kingslounge, und ihr Chef Jesus Atienza wurde auf das Projekt aufmerksam. Schnell war das passende Grundstück gefunden, die Idee in die Tat umgesetzt. Am Samstag war Eröffnung.

Was Monika Dallmann vorschwebt, ist eine bestmögliche Nutzung der Gelände. Häufig würden sie wie Schwerverbrecher eingesperrt und mit Stacheldraht oder einer Bretterwand unzugänglich gemacht. Sie seien ausgewiesen als Orte des Illegalen, des Unbestimmten, des Nichts. "Viele sehen diese Baulücken als Schandfleck", sagt Dallmann. "Aber man kann das auch positiv sehen: Krefeld hat noch einiges an Potenzial. Man muss es einfach ausschöpfen." Für eine geeignete Zwischennutzung müsse man nicht unbedingt viel Geld in die Hand nehmen. "Es muss nicht immer eine aufwändige Bebauung sein", sagt sie. "Eine schöne Gartenanlage etwa kann eine Fläche enorm aufwerten."

Laut Definition sind Baulücken Grundstücke in einer Größe von 600 bis 900 Quadratmetern, die kurz- oder mittelfristig bebaubar sind. Oft gibt es für diese Grundstücke nur zwei Möglichkeiten, wenn keine Schritte zur Gestaltung eingeleitet werden: eine qualitätsarme Nutzung als Parkplatz, Gebrauchtwagenhandel oder Abstellplatz oder der bauliche Verfall bis hin zur völligen Verwahrlosung. "Das kann dann den Abwärtstrend eines ganzen Straßenzuges oder Stadtteils erzeugen oder verstärken", sagt Monika Dallmann.

In Krefeld gebe es nicht mehr dieser Baulücken als in anderen Städten auch. Aber es seien viele. "Der Rückzug des Staates und die damit einhergehende Beteiligung der Wirtschaft an stadtgestalterischen Prozessen verursacht einen veränderten Umgang mit Raum. Unlukrative Flächen bleiben außen vor", erklärt Dallmann. Die Folge: Immer mehr Flächen bleiben sich selbst überlassen.

In ihrer Arbeit stellt sie einige Projekte vor: So schlägt sie an der Petersstraße 43-47, wo heute ein Parkplatz ist, die Umgestaltung zu einer Gartenfläche vor, ein paar Meter weiter einen Durchstich zum Ostwall, an der Uerdinger Straße eine Kletterwand anstelle einer unansehnlichen Fassade. "Es müsste eine Koordinationsstelle geben, die die Baulücken und Brachflächen verwaltet und vermarktet", sagt die 25-Jährige. Bei der Stadt liegt bislang kein Plan der Baulücken vor. Eine Antwort auf die Zusendung ihrer Arbeit hat Monika Dallmann bislang noch nicht erhalten. "Man braucht eben immer auch Leute, die sich dafür begeistern können und sich einsetzen", sagt sie. Heute werde nicht mehr für Jahrhunderte gebaut. Die Erkenntnisse daraus seien, dass die Stadtstrukturen flexibler und weniger planbar seien - entsprechend würden auch Zwischennutzungen immer wichtiger.

Monika Dallmann will Krefeld zu mehr Identität verhelfen. "Die Stadt ist sehr schön, aber nicht chic und schon gar nicht fertig. Wer Samt und Seide in seinem Slogan führt, der muss auch etwas dafür tun", sagt sie. Und meint damit nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Krefelder Bürger. "Sie müssen als Mitgestalter der größer gewordenen Freiräume gewonnen werden." Sie sagt bewusst Freiräume. Denn: "Wichtig ist der Grundgedanke, dass die Lücke nicht das Defizit ist, sondern die Möglichkeit. Man muss nur richtig hinschauen."

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