Aufklärungsunterricht: Vorsicht vor falschen Nachrichten

Am Fabritianum diskutieren Schüler mit der WZ über Fake News. Die Berliner Imamin Seyran Ates spricht über Menschen- und Frauenrechte.

Krefeld. „Eben noch Verkäuferin — jetzt Gewinnerin von 530.000 Euro.“ So oder so ähnlich könnte die Schlagzeile gelautet haben, über die Michael Passon, Redaktionsleiter der WZ Krefeld, stolperte. Ursprünglich wollte der Journalist einen Bericht in einem Nachrichtenmagazin lesen, wurde dann aber auf einen anderen Text aufmerksam, in dem über eine Frau berichtet wurde, die bei einem Discounter arbeitete und in ihrer Pause 530.000 Euro gewonnen hatte. Bei einem genaueren Blick entdeckte der Redaktionsleiter der WZ den entscheidenden Hinweis, der den vermeintlichen Artikel als Werbung entlarvte: Oben rechts stand kleingedruckt „Anzeige“.

Mit diesem Beispiel begrüßt Passon die Schüler der Arbeitsgruppe am Uerdinger Gymnasium Fabritianum zu einem Vortrag über Fake News. Alle Schüler des Gymnasiums, mit Ausnahme der Abiturienten und der Zehntklässler, nehmen derzeit an den Projekttagen teil. Bereits zum dritten Mal finden diese vor Beginn der Sommerferien statt, wie Thomas Tillmann, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und Mitinitiator der Projekttage, berichtet: „Die Schule hat sich dem Thema ‚Respekt’ verschrieben, aber um andere zu respektieren, muss man erst einmal verschiedene Lebensentwürfe kennenlernen.“ Darum habe er gemeinsam mit seinen Kolleginnen Judith Poggi und Julia Ringbeck die Projekttage ins Leben gerufen: „Sonst wird vor den Ferien nur noch fern gesehen und gefrühstückt. Wir wollten den Schülern etwas Wertiges bieten“, sagt Tillmann.

In diesem Jahr gibt es 48 verschiedene Gruppen, aus denen jeder Schüler drei Favoriten wählen konnte. Im Anschluss wurde jeder einer Gruppe zugewiesen. In drei Tagen lernen die Schüler so Wissenswertes zu einem bestimmten Thema, wie in diesem Fall zu „Trump, Putin, Erdogan, AfD und ihr Umgang mit den Medien — ein Angriff auf das Gut Mensch?“. Zum Umgang mit Medien in Bezug auf Fake News kann Passon den interessierten Schülern aus seiner journalistischen Erfahrung viel mit auf den Weg geben. Er erklärt, dass Fake News nichts anderes als „gezielte Desinformationen“ seien.

Ein Beispiel aus der russischen Pressemaschinerie — „das Mädchen Lisa“ — zeige, wie es möglich ist, Menschen zu manipulieren. Russische Medien hatten das Verschwinden der in Deutschland lebenden jungen Frau zum Anlass genommen, Flüchtlinge in Deutschland zu verunglimpfen, nachdem veröffentlich wurde, dass das Mädchen von einem „südländisch aussehenden Mann“ vergewaltigt worden sei. Später stellte sich heraus, dass das Mädchen gar nicht verschwunden, sondern die ganze Zeit bei ihrem Freund war. Passons Ratschlag für die Schüler, von denen der jüngste elf, der älteste 18 Jahre alt ist: „Prüft die Quellen, und wenn ihr euch nicht sicher seid, woher Informationen kommen, teilt sie nicht.“

Für den folgenden Vortrag von Seyran Ates kommt vorab die Polizei für einen Sicherheits-Check in die Räumlichkeiten. Morddrohungen kennt die Imamin nur zu gut. Eine ungewöhnliche Situation für die Fabritianum-Schüler.

Die Gruppe hat sich auf den Besuch der Frauenrechtlerin vorbereitet und weiß, dass Ates für die Trennung von Politik und Religion eintritt. Einige der älteren Schüler wissen zudem, dass Ates eine Moschee in Berlin eröffnet hat, in der ausdrücklich auch Schwule und Lesben willkommen sind. Ates erzählt den Schülern aus ihrer eigenen Jugend, in der sie Schülersprecherin war: „Ich war damals schon eine Rebellin und habe als Erstes zu einem Sitzstreik aufgerufen“, erzählt die Frauenrechtlerin, die später Jura studierte. Weil sie als junges Mädchen oft Benachteiligung erlebt habe, sei sie mit 17 Jahren von zu Hause geflüchtet.

Der Einsatz für Frauenrechte war der Berlinerin immer schon wichtig: „Ich habe in einer Beratungsstelle für Frauen aus der Türkei gearbeitet, und ihnen lesen und schreiben beigebracht.“ Schon damals musste die Rechtsanwältin allerdings die Erfahrung machen, dass es Menschen gibt, die das, was sie tut, nicht gutheißen. Ein Attentat überlebte Ates nur knapp. Als die Autorin von diesem Erlebnis am Rande berichtet, wirken die Schüler schockiert. Wegen seiner Meinung angegriffen zu werden, erscheint den meisten undenkbar, und einer der älteren macht seinem Unmut darüber auch Luft: „Es ist doch wichtig, dass Leute verschiedene Meinungen haben.“

Ates erzählt der Projektgruppe von Frauen in Berlin, die sich nicht mehr trauen, auf bestimmten Bahnstrecken in Hotpants oder Tops mitzufahren, weil sie Angst vor Übergriffen haben. Die Menschenrechtlerin will die Schüler sensibilisieren: „Rücksichtnahme ist okay, aber wir sollten unsere Werte nicht aufgeben.“ Kurze Kleidung dürfe nicht als Einladung für eine Vergewaltigung missverstanden werden.

Vor allem geht es der Frauenrechtlerin aber um eines: „Wenn du in unsere Moschee kommst, bist du nicht schwul, lesbisch, bi, Mann, Frau, Katholik oder Moslem — du bist ein Mensch.“

Worte, die mit Sicherheit noch lange in den Köpfen der Schüler nachhallen werden.

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