Altenheime: Chef ohne Arbeitsvertrag

Gefeuerter Geschäftsführer Thomas Schächter spricht über seine Kündigung – und der Gemeindeverband nimmt Stellung zu dessen Vorwürfen.

Krefeld. Den Brief mit der Kündigung brachte ihm sein Nachbar: Das Schreiben, das eigens ein Bote nach Soest zugestellt habe, sei statt in seinem ein Haus weiter eingeworfen worden - in einem unverschlossenen Umschlag, sagt Thomas Schächter im WZ-Gespräch. Damit war die Nachbarschaft gleich im Bilde, erzählt der Betriebswirt, der mittlerweile bei einem großen privaten Betreiber von Seniorenheimen tätig ist. Der geschasste Geschäftsführer der evangelischen Altenhilfe gGmbH hatte sein Amt am 2. Januar in Krefeld angetreten und spricht jetzt von schlechtem Stil seines früheren Arbeitgebers: "Ich hatte noch nicht einmal einen schriftlichen Arbeitsvertrag."

Nach seiner plötzlichen Beurlaubung durch den gerade neu eingesetzten Beiratsvorsitzenden (Schächter: "Die Person, die da in mein Büro kam und mir das mitteilte, kannte ich gar nicht.") sei ihm per Brief fristgerecht gekündigt worden. Eine Gegenwehr vor Gericht verlief für ihn nicht erfolgreich: "Es fehlte der schriftliche Vertrag."

Verträge waren es wohl auch, die ihn letztlich den Job kosteten, vermutet Schächter. "Ich kann da nur spekulieren, weil mit mir nicht über die Gründe der Kündigung gesprochen worden ist", sagt er der WZ. Jedenfalls habe er schnell festgestellt, dass "deutlich nicht schwarze Zahlen" geschrieben wurden. Deshalb sollten Verträge auf den Prüfstand.

Etwa der mit dem Gemeindeverband. Der eingetragene Verein erbringt für die Altenhilfe gGmbH Verwaltungsleistungen, die laut Thomas Schächter einfach zu teuer waren. Es habe Stellen gegeben, die für die Seniorenheime gar nicht von Bedeutung gewesen seien, aber bezahlt wurden. So sei auch Geld aus Pflegesätzen verwendet worden, das an anderer Stelle hätte eingesetzt werden müssen. Zudem "wurde nicht so auf Wirtschaftlichkeit geachtet", sagt der Betriebswirt. Für das Risiko eines Defizits aber müssten letztlich alle evangelischen Kirchengemeinden Krefelds haften, da sie den Gemeindeverband tragen. Seit dem Jahr 2000 sei schlecht gewirtschaftet worden und das Eigenkapital stark zurückgegangen.

Schächter glaubt deshalb, dass seine Prüfung durchaus Staub aufgewirbelt hat und der Eindruck entstanden ist, "da räumt jemand auf". So auch bei den "massiven Brandschutzmängeln" in drei der vier Seniorenheime. Sie sind offenbar so gravierend, dass die Stadt zwischenzeitlich die Schließung an Westwall, Wilhelmshofallee und am Tiergarten angedroht hat. Laut Schächter gibt es weder Brandmeldeanlagen noch Brandabschnitte. Als er ein Ingenieurbüro damit beauftragt habe, die erforderlichen Arbeiten und Kosten zu ermitteln, sei er vom Hauptgesellschafter ausgebremst worden. "Beim Gemeindeverband herrschte die Vorstellung, man könne ein paar Rauchmelder im Baumarkt kaufen." Schächter sah aber nicht nur diesen, sondern auch sich selbst in der Haftung und deshalb "akuten Handlungsbedarf".

Der 50-Jährige glaubt, dass die Mitarbeiter jetzt die Management-Fehler der Vergangenheit ausbaden müssten. Dass die Belegschaft auf Weihnachtsgeld verzichten solle, sei deshalb nicht gerechtfertigt. "In den Pflegesätzen sind doch Entgelte für solche Baumaßnahmen enthalten."

Dass Mittel aus den Pflegesätzen missbräuchlich verwendet wurden, weist der Gemeindeverband zurück und betont, dass er im Gegenteil gut 250000 Euro für Brandschutzmaßnahmen zur Verfügung stelle. In einer schriftlich Stellungnahme, um die die WZ gebeten hatte, wird die Androhung der Schließung bestätigt: "Das liegt im Wesen von Fristsetzungen." Erste erhebliche Maßnahmen würden aber noch 2008 umgesetzt, der gesamte Kostenrahmen liege bei 1,3 Millionen Euro. In der Beteiligung der Belegschaft durch Verzicht auf 40Prozent des Weihnachtsgeldes sieht der Altenhilfe-Gesellschafter eine Existenzsicherung von Einrichtungen und Arbeitsplätzen. Dadurch soll ein Jahr lang Kündigungsschutz bestehen.

Zur Kündigung des Geschäftsführers im April heißt es: "Die Art und Weise, wie Herr Schächter die Geschäftsführung wahrnahm, entsprach nicht den Vorstellungen der Altenhilfe gGmbH. Eine Probezeit dient dazu, dass beide Seiten sicherstellen, ob sie zueinander passen." Diese Probezeit war nach Auffassung Schächters aber mangels schriftlichen Arbeitsvertrags längst verstrichen. Was der Gemeindeverband anders sieht. Der schriftliche Vertrag sei in Vorbereitung gewesen.

Noch bevor der fertig war, hätten dann allerdings die Gesellschaftervertreter den Anstoß zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Schächter sei über die Kritik an seinem Leitungsstil informiert gewesen. Ein Gespräch, so wird eingeräumt, gab es dann aber nicht mehr mit ihm: Unmittelbar vor der Kündigung seien aus arbeitsrechtlichen Erwägungen keine Gründe genannt worden. Ohnehin wird betont: "Eine Kündigung während der Probezeit braucht keine Begründung."

Dass daraufhin der Beirat zurücktrat, habe die Gesellschafter überrascht. Es habe eine unterschiedliche Vorstellung über die Ausübung der Leitung der Altenhilfe durch Herrn Schächter bestanden, wird zur Begründung geäußert. Bis zur Klärung möglicher Strukturveränderungen der Altenhilfe soll weiterhin Ellen Weinebrod, Geschäftsführerin der Diakonie, die Geschäftsführung der Altenhilfe gGmbH kommissarisch übernehmen.

Dass durch die Situation eine Verunsicherung in der Belegschaft bestehe, bestreitet der Gemeindeverband: "Im Gegenteil. Die Mitarbeitenden sind froh, dass mit einer neuen Geschäftsführung und einem neu besetzten Beirat wieder Ruhe eingekehrt ist." Es sei auch nicht zu einem ungewöhnlichen Anstieg der Kündigungszahlen gekommen. Die Kontaktaufnahme zur alten Geschäftsführung war den Mitarbeitern unter Androhung arbeitsrechtlicher Schritte verboten worden, bestätigt der Verband - aus einem konkreten Anlass, wie es heißt.

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