Als die römische Armee ins Rheinland kam

Der Kölner Professor Thomas Fischer hielt auf Burg Linn einen Vortrag, in dem auch das Kastell Gelduba in Gellep eine Rolle spielte.

Linn. Die Pläne der Römer zur Zeit des Kaisers Augustus (63 vor Christus bis 14 nach Christus) richteten sich auf die Gründung einer neuen Provinz Germania magna. Bis zur Elbe drangen die Armeen vor, doch dann kam Arminius. Unter seiner Führung erlitten die Römer bei Kalkriese im heutigen Niedersachsen im Jahr neun nach Christus durch vereinte germanische Stämme in der Varus-Schlacht eine verheerende Niederlage. Die Römer drangen danach zwar immer wieder in rechtsrheinische Gebiete ein, eine staatliche Struktur bauten sie jenseits des Rheins jedoch nicht auf. Der Rhein bildete als der Niedergermanische Limes von der Nordsee bis nach Remagen — mit dem Kastell Gelduba in Krefeld — letztlich die nordwestliche Grenze zwischen den Römern und den germanischen Stämmen.

„Die Römer fuhren mit dieser Politik ganz gut bis in die Spätantike“, meint Professor Thomas Fischer. Der Emeritus der Universität Köln hielt vor gut 60 Zuhörern auf Burg Linn nun einen kurzweiligen Vortrag über „Die römische Armee im Rheinland“. Die Bezeichnung Niedergermanischer Limes sei eigentlich nicht richtig, bemerkt Fischer gleich zu Beginn. Da die Römer ihre „nassen Grenzen“ wie den Rhein und auch die Donau eigentlich als „ripa“ (Ufer, Flussgrenze) benannten — im Gegensatz zu dem befestigten „Limes“ auf dem Land, wie zwischen Rheinbrohl am Rhein und Eining an der Donau (Obergermanischer Limes). „Es setzen sich auch mal falsche Begriffe durch“, sagt Fischer.

Die Sicherung des Niedergermanischen Limes übernahmen so genannte Hilfstruppen und nicht die Legionen wie sie in Bonn oder Xanten stationiert waren. Solche Hilfstruppen (Auxilia) standen auch im Kastell Gelduba. „Die Auxilia war aus allen Herren Länder zusammengewürfelt“, erklärt Fischer. Denn in den Legionen durften nur Römer dienen. Der große Anreiz, in eine Hilfstruppe der römischen Armee einzutreten, bildete der Erwerb des römischen Bürgerrechtes. „Sie mussten zudem Lesen und Schreiben lernen, erst dann wurden sie römische Soldaten.“

Mit dem Bau des ersten Kastells um das Jahr 70/71 nach Christus in Krefeld zog eine Reitereinheit aus Spanien mit 500 Soldaten ein. Zu Beginn mögen nur Spanier dort vertreten gewesen sein, später kamen als Ersatz Germanen oder Gallier hinzu. Einzig Männer vom germanischen Stamm der Bataver (Rhein-Maas-Region) und Syrer blieben wegen ihrer besonderen Fähigkeiten in anderen Kastellen unter sich: Die Bataver konnten im Gegensatz zu den Römern schwimmen, die Syrer mit Pfeil und Bogen ausgezeichnet umgehen. Die Waffenausstattung der Soldaten hatte meist keinen römischen Ursprung. „Die Römer haben die meisten Waffen von anderen übernommen“, sagt Fischer. Die Kettenhemden seien eine Idee der Kelten gewesen, die Schildbuckel eine der Germanen, die Helme eine der Spanier. Solche Helme gerieten bei den Römern teils kurios mit fantasievollen Formen wie mit großen Vogelköpfen. „Ich dachte, das gibt es nur in Hollywood“, scherzt der Kölner Professor.

Das erste Krefelder Kastell um das Jahr 70/71 nach Christus war etwa so groß wie zweieinhalb Fußballfelder. Die Gebäude und Schutzanlagen wurden noch aus Holz und Erde gebaut. In den Mannschaftsunterkünften wohnten in kleinen Einheiten drei Soldaten mit einem direkt anschließenden Pferdestall mit je drei Tieren zusammen. „Jeder Soldat besaß aber noch zwei Ersatzpferde. Mit so vielen Pferden konnten die Soldaten aber nicht gut auf engem Raum zusammenleben“, so Fischer. „In Krefeld hat man außerhalb des Kastells Zaunanlagen entdeckt, wo diese Ersatzpferde gehalten wurden“, berichtete der Archäologe. Wie auch bei anderen Kastellen üblich, grenzten an das Lager die Friedhöfe und Dörfer. In den Dörfern lebten Handwerker, Gastwirte, aber auch die Frauen und Kinder der Soldaten. „Offiziell durften die Soldaten aber nicht heiraten“, erklärt Fischer. Das durften sie erst mit dem Ende ihres Militärdienstes.

Die Römer bauten ihre Kastelle immer nach demselben Prinzip: Wohl geordnet befanden sich innerhalb des Lagers der Führungsstab, Getreidespeicher, Unterkünfte und Werkstätten. Nach außen schützten sie Gräben und Wälle. Zahlreiche Holz-Erde-Kastelle wurden jedoch im dritten Jahrhundert bei Angriffen von germanischen Stämmen ein Opfer der Flammen. „An der Rheingrenze sind die meisten Kastelle zerstört worden“, so Fischer.

Wegen anderer Konflikte an den Grenzen des Römischen Reiches mussten vom Niedergermanischen Limes immer mehr Soldaten abgezogen werden. Die römische Armee erwies sich so immer unfähiger, auf die Angriffe zu reagieren. Als Reaktion wurden neue Kastelle mit Steinmauern samt Wachtürmen gebaut. Auch die wichtigsten Gebäude in den Kastellen wurden dann aus Stein errichtet. Das spätantike und letzte Kastell in Gelduba glich so schon mehr einer mittelalterlichen Burganlage. Es wurde erst mit dem Abzug der Römer im fünften Jahrhundert letztlich aufgegeben und dann von den nachrückenden Franken besetzt. Das Krefelder Kastell soll mit anderen am Niedergermanischen Limes im Jahr 2020 in dem Projekt „Die Grenzen des Römischen Reiches“ als Welterbe eingestuft werden. Das Projekt umfasst die Grenzlinie und Militäreinrichtungen zur Zeit der Blüte des Römischen Reiches, etwa von 100 bis 200 nach Christus. Ziel ist es, die gesamte Grenzlinie in Europa, Asien und Afrika als Welterbe einzutragen. Abschnitte in Deutschland und Großbritannien sind bereits Welterbe. Der Niedergermanische Limes-Abschnitt bestand von 15 vor Christus bis etwa 450 nach Christus.

Unter den in Nordrhein-Westfalen einzutragenden Römerstätten nimmt das Lager von Gellep eine Schlüsselposition ein. Es bestand vom ersten bis fünften Jahrhundert nach Christus fast ununterbrochen an derselben Stelle. Das Areal ist als Bodendenkmal eingetragen und zum größten Teil nicht überbaut. Rund zwei Drittel des Lagerbereiches sind bislang nicht erforscht.

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