"Boykottiert die Läden der Türken in Deutschland" AfD-Aufforderung zum "Türken-Boykott": Staatsanwaltschaft in der Kritik

Kay Gottschalk hatte auf dem Neujahrsempfang seiner Partei mit einem Kommentar für einen Eklat gesorgt. Die Anklagebehörde sieht keinen Anhaltspunkt für eine Straftat. Der WZ liegt die schriftliche Erklärung vor.

 AfD-Bundesvize Kay Gottschalk.

AfD-Bundesvize Kay Gottschalk.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Beim AfD-Neujahrsempfang ist sich Kay Gottschalk der Aufmerksamkeit bewusst, als er „alle Bürger guten Willens“ dazu aufruft: „Boykottiert die Läden der Türken in Deutschland, denn die fahren zu 70 Prozent auf Erdogan ab.“ Das Volk johlt in der Halle in Oppum. Es nickt eifrig, klatscht. Jetzt steht endgültig fest, dass Gottschalk das so sagen darf. Der WZ liegt die schriftliche und gleichsam harsch kritisierte Begründung der Staatsanwaltschaft Krefeld vor.

Darin erklärt die Staatsanwaltschaft, dass „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat (...) nicht ersichtlich“ seien und dementsprechend kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könne. Eine Aufforderung zu Willkürmaßnahmen stelle sich nicht dar, da nicht feststellbar sei, dass „MdB Gottschalk mit seiner Äußerung (...) zu diskriminierenden und im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit stehenden Behandlungen gegen einen nationalen, rassistischen, oder durch seine ethnische Herkunft bestimmten Teil der Bevölkerung aufgerufen hat“.

„Behörde legitimiert Verschiebung des Diskurses nach rechts“

Zu dieser Erkenntnis kommt die Staatsanwaltschaft, weil die Äußerung Gottschalks in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Kritik an der aktuellen Politik der türkischen Regierung einhergegangen sei. Hier mit dem Angriff türkischer Truppen auf Kurden. Daher habe Gottschalks Boykott-Aufruf „offensichtlich“ darauf gezielt, „diese Politik nicht indirekt durch Zuwendungen an in Deutschland lebende Geschäftsleute zu unterstützen“. Weiter heißt es: „Angriffsobjekt waren daher nicht ,die Türken’ als nationaler oder ethnischer Teil der inländischen Bevölkerung“. Sondern eben solche, die die türkische Regierungspolitik „tatsächlich oder vermeintlich“ befürworten oder unterstützen.

Anzeigensteller Carsten Bullert von Die Partei ist enttäuscht: „Die Ausführungen sind durch ihre doch sehr wohlwollende Interpretation dessen, was Herr Gottschalk da so alles gemeint haben kann, zutiefst verwirrend. Es ist das Eine, ob eine ganz bewusst getätigte Aussage, deren Tragweite sich ein MdB klar sein muss, rein rechtlich einen Tatbestand möglicherweise nur ankratzt. Es bleibt das Andere das, was hängen bleibt. Und das ist und bleibt ein klarer Aufruf.“ Auch Karsten Ludwig (Grüne) findet die Begründung nicht überzeugend. „Die Staatsanwaltschaft stützt damit die Meinung, dass eine Vorverurteilung aller türkischstämmigen Menschen keine straftatbestandliche Willkürmaßnahme darstellt und legitimiert dadurch eine weitere Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts. Dennoch war es gut, dass die Zivilgesellschaft die Aussagen von Kay Gottschalk nicht unkommentiert stehen gelassen hat.“

Das tut Gottschalks AfD-Kollege Martin Renner nach dem Eklat ebenfalls nicht. Im „Stern“ fordert er Gottschalks Rückzug aus allen politischen Ämtern und ordnet die „unverzeihliche Entgleisung als Aufforderung zur Kopie einer Nazi-Methode“, nämlich Hitlers Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte.

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