65 Flüchtlinge - neue Nachbarn in Dießem

Die WZ besuchte die Menschen, die zurzeit in der Don-Bosco-Schule an der Feldstraße leben.

65 Flüchtlinge - neue Nachbarn in Dießem
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Im Lehrerzimmer der Don-Bosco-Schule steht Harald Ball im Gespräch mit Marcus Schreiber. Schreiber ist Betreuer und der Mann für alles in der ehemaligen Schule an der Feldstraße. 65 Flüchtlinge leben dort, und Schreiber sorgt im Wechsel mit zwei Kollegen dafür, dass im Haus rund um die Uhr alles läuft.

65 Flüchtlinge - neue Nachbarn in Dießem
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Das klappe ganz gut, sagt er, und das wiederum ist laut Harald Ball, dem erfahrenen Sachbearbeiter der Stadt, keine Selbstverständlichkeit.

65 Flüchtlinge - neue Nachbarn in Dießem
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

An der Küchentür und in den Sanitäranlagen hängt ein Reinigungsplan, und es ist ein Lernprozess, ihn einzuhalten. „Es gibt keinen Putzdienst“, sagt Ball. Unübersehbar hängt im Waschraum der Hinweis, kein Shampoo in die Waschmaschine einzufüllen. Es sind solche Alltäglichkeiten, bei denen Schreiber und seine Kollegen helfen.

Sie fungieren als Handwerker, dienen den Bewohnern als Wegweiser durch den Ämterdschungel oder zum nächsten Supermarkt. Englisch und Deutsch spricht Schreiber, Polnischkenntnisse hat ihm seine Frau vermittelt, und ansonsten bleiben Gesten, Laute und Mimik, um sich zu verständigen.

Oft helfen auch die Bewohner einander. Wie Muzafar Jat (32), der Pakistani, der für Salleh Mohmmad, den 20-jährigen aus Afghanistan, übersetzt. Die beiden sitzen entspannt in der Küche dass Pavillons mit Datta Kanon (26) und Khawar Abbas und warten darauf, dass Muhammad, der 18-jährige, der ein Jahr gebraucht hat, um von Bangladesch nach Deutschland zu kommen, nichts überkochen lässt.

Seit etwa vier Wochen sind die Männer in Krefeld, auf unterschiedlichen Wegen hierhin gelangt. „Wir sind alle Nachbarn“, sagt Jat schmunzelnd, und meint damit nicht die Tatsache, dass ihre Betten an der Feldstraße nebeneinander stehen.

Die Einzelpersonen, meist Männer, wohnen im Erdgeschoss, die Familien haben die ehemaligen Klassenzimmer im Obergeschoss bezogen. Sie sind karg eingerichtet: In den hohen Räumen gibt es je vier Betten, einen Kleiderschrank, einen Kühlschrank, eine Grundausstattung mit Töpfen, Geschirr und Besteck, erzählt Harald Ball.

Es gebe Bewohner jeden Alters, zurzeit auch ein Baby. Eine vierköpfige Familie aus dem Iran — Mutter und Vater, Tochter (10) und Sohn (4) — sind erst vor fünf Tagen in Krefeld eingetroffen. Es sind Familien wie diese, die Ball so schnell wie möglich in Wohnungen unterbringen möchte. Bis das gelingt, haben die Kinder den Schulhof als Spielplatz.

Im auffallend stillen Innern des Gebäudes, das durch den Holzdielenboden, schmale Gänge, weiß-grau gestrichene Flure und hohe Fenster geprägt ist, gibt es ein Spielzimmer mit Stofftieren, einem Roller und Radio.

Seit 25 Jahren arbeitet Harald Ball mit Flüchtlingen. Was sich in der Zeit verändert hat? „Früher waren die Menschen dankbar, die zu uns kamen. Heute kennen viele ihre Rechte und fordern sie sehr energisch ein. Die Anspruchshaltung ist gewachsen.“

Schwierigkeiten entstünden zudem durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Bildungsniveaus. Um in Konflikten vermitteln und deeskalierend wirken zu können, schult die Stadt ihre Mitarbeiter regelmäßig, „und zwar schon lange, bevor das Thema durch die Presse ging“, betont Ball. „Bis jetzt hatten wir wenig Probleme.“

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