Zwölf Wodka in einer Stunde: Helfer im Dauereinsatz

Schon am Nachmittag versorgen die Rettungskräfte an Altweiber im Akkord junge Alkoholisierte und Verletzungen durch Scherben.

Auf einem Tischchen in der Notaufnahme des Marien-Hospitals sind schon Nierenschalen und Kompressen aufgestapelt. In einem Rollstuhl daneben hängt ein Cowgirl in pinkem Plüsch über einer Spucktüte. Ihre Augen bekommt sie kaum mehr auf. Neben ihr dämmert ein Junge unter einer Wärmedecke vor sich hin, im Warteraum nebenan erbricht sich ein Minderjähriger in eine Schale, die seine Mutter ihm unter das Kinn hält. Diagnose: akute Alkoholvergiftung. Der Junge wird stationär aufgenommen. Es ist Altweiber. Kurz nach drei am Nachmittag.

Anna Weber und Martin Haake müssen einen 19-Jährigen im Marien-Hospital abliefern. Die beiden Rettungsassistenten schieben am Karnevalsdonnerstag 24-Stunden-Dienst für die Malteser. Am frühen Nachmittag schrillen ihre Piepser in der Station am Fürstenwall. Mit Blaulicht und Sonderrechten sollen sie zur Altstadtwache ausrücken - das heißt, es ist eilig. Zwischen Taxis, orientierungslosen Touristen und Narren schiebt Martin Haake den Rettungswagen so flott wie möglich Richtung Heinrich-Heine-Allee.

Der volltrunkene Mann hängt auf der Sitzbank in der Wache. Er ist direkt vor der Tür zusammengebrochen. Eine Schürfwunde im Gesicht zeugt von seinem Sturz, die Mülltüte zu seinen Füßen von seinem Alkoholgenuss. "Was haben Sie denn? Zu viel getrunken?", fragt Anna Weber (25). "So zwölf Wodka" lallt der Junge. "In welchem Zeitraum?" "’ne Stunde ..." Seine Freunde? Weg. Haben ihn allein gelassen, als er den Spaß verdarb. Die Party für den 19-Jährigen endet im Krankenhaus.

Noch während Anna Weber den Patienten auf dem Tragestuhl im Rettungswagen verschnallt, wird Martin Haake von einem Mann im bunten Mexikanerponcho angesprochen: "Tschuldigung, können Sie mal gucken. Ich hab’ mich geschnitten. Ist, glaube ich, tief." Vom kleinen Finger des Mexikaners tropft das Blut. Der 40-jährige Rettungsassistent reinigt die Wunde, desinfiziert, fragt nach der Tetanusimpfung. "War das eine Glasscherbe?" "Hm, glaube ja." Der Mexikaner bekommt einen dicken Verband. Dann verschwindet er mit seinem Kumpel, zurück Richtung Bolkerstraße. Weiterfeiern.

Bis 16 Uhr behandeln Ärzte und Sanitäter in den Unfallhilfsstellen der Altstadt schon 40Menschen, davon fünf mit Schnittverletzungen. 16 Verletzte und Alkoholisierte müssen in Krankenhäuser gebracht werden. Und nicht in jedem Fall, ist die Notlage selbstverschuldet. Ein junges Mädchen mit langen falschen Wimpern und buntem Rock wird im Marien-Hospital mit einem dicken Verband über den angesprühten Haaren eingeliefert: Sie hat am Burgplatz eine Flasche an den Kopf bekommen. Fünf Zentimeter lang ist die Wunde an ihrer Stirn.

Fliegende Flaschen sind auch für die Helfer eine Gefahr. "Wir steigen in der Altstadt gar nicht mehr ohne Helm aus", sagt Anna Weber, die regelmäßig Wochenendschichten an der längsten Theke schiebt. Feuerwehrsprecher Heinz Engels kennt das Problem: "Sie werden angepöbelt, zum Teil auch geschlagen." Besonders schlimm sei es 2007 gewesen. Acht Johanniter wurden da an einem der tollen Tage verletzt. "Einer bekam Schläge in den Rücken, einer wurde mit Nadeln gestochen. Einem wurde eine Flasche an den Kopf geworfen", zählt Engels auf. So schlimm sei es in den letzten beiden Jahren aber nicht gewesen.

Dennoch warnt er gestern am frühen Abend: "Der Bär ist los - trotz Kälte. Die Nacht wird turbulent." Und der meistgespielte Karnevalshit wird in der Altstadt - wie jedes Jahr - das Martinshorn der Rettungswagen sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort