Interview Zweiter Weltkrieg: Als die Bomben auf Düsseldorf fielen

Am 1. August 1942 zerstörten 630 Bomber große Teile Düsseldorfs. Marcel Lesaar beleuchtet die Ereignisse, aber auch persönliche Schicksale rund um den Tag.

Interview: Zweiter Weltkrieg: Als die Bomben auf Düsseldorf fielen
Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Düsseldorf. In der Nacht zum 1. August 1942 fand der erste große Luftangriff der Alliierten auf Düsseldorf und Neuss statt. Dabei wurden große Teile Düsseldorfs zerstört. Marcel Lesaar ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des LVR - Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und befasst sich schon seit längerem mit Flugzeugabstürzen während des zweiten Weltkrieges. Nun hat er seine Recherchen zu dem Angriff und dessen Folgen, vor allem aber auch Geschichten rund um die Schicksale sowohl auf deutscher als auch auf alliierter Seite zu einem Buch zusammengefasst: „Luftangriff auf Düsseldorf und Neuss“. Wir sprachen mit ihm über seine Erkenntnisse.

Interview: Zweiter Weltkrieg: Als die Bomben auf Düsseldorf fielen
Foto: Dietrich Janicki

Autor Marcel Lesaar (Foto: Dietrich Janicki)

Wie kamen Sie dazu, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Wie ist das Buch entstanden?

Marcel Lesaar: Ich selber bin Bankkaufmann, aber ich habe mich irgendwann mal gefragt, wie ich etwas Archäologisches machen könnte. Es war schon immer in meinem Hinterkopf — ich habe 30 Jahre lang Familienforschung betrieben. Die Kenntnisse konnte ich aber gut weiterverwenden. Ich bin dann über das Ehrenamt gestolpert. 2013 fing ich bei dem Amt für Bodendenkmalpflege an. In Folge dessen kam es auch zu zwei weiteren Veröffentlichungen, noch vor diesem aktuellen Buch. Dieses Forschen liegt mir sehr. Auch die Hintergründe herauszufinden. Die Menschen die dahinterstecken, sowohl bei den deutschen Opfern, als auch bei den Nachkommen der kanadischen als auch britischen Flieger, die bei dem Angriff beteiligt waren. Das war auch sehr beeindruckend mit Geschwistern oder den Nichten der Flieger zu sprechen. Das waren sehr emotionale Momente. Aber ich wollte auch die deutsche Seite beleuchten. Denn es geht mir hier nicht um die Schuldfrage, oder die Frage der Rechtmäßigkeit der Luftangriffe, sondern auch um die Personen.

Was sind die zentralen Erkenntnisse, die Sie über den Luftangriff am 1. August herausgefunden haben?

Lesaar: Es war der erste große Luftangriff auf Düsseldorf. Es waren zwar auf Düsseldorf schon viele Bomben bis dahin gefallen, aber das waren immer Vereinzelte. Deshalb ist die Frage, ob man das als Angriff bezeichnen kann. Manchmal war das Ziel eigentlich ein anderes, aber aus technischen Gründen oder weil sie froh waren, die Bomben los zu werden, ließen sie schon zuvor vereinzelt Bomben über Düsseldorf fallen. Vereinzelt. Aber in der Nacht zum 1. August haben sich 630 Bomber auf den Weg nach Düsseldorf gemacht. Diese Masse an Bombern ist eigentlich unvorstellbar. Es haben zwar nicht alle Düsseldorf bombardiert, weil es Probleme bei der Navigation gab, aber so viele waren eingeplant. Wären all diese hintereinander geflogen wäre eine Kette von 13 Kilometern entstanden. Das hilft, die Masse zu visualisieren. Bedrückend sind die Opferzahlen von 250 Opfern. Da sind 80-Jährige, bis zu wenige Wochen alte Kinder dabei.

Was waren die Ziele?

Lesaar: Am Anfang griff man schon strategische Ziele an, nur 42 ging es auch schon darum, die Wohnungen zu zerstören um die Bevölkerung zu demoralisieren. In einem Dokument aus dem britischen Archiv stand, dass der Auftrag war: „To destroy town.“ Der Angriff war aus britischer Sicht sehr erfolgreich, da viele Wohngebäude, Industrieanlagen und Einrichtungen der Wehrmacht zerstört wurden. Ansonsten haben sich auch noch andere Themen bei meinen Recherchen ergeben.

Und diese Themen waren?

Lesaar: Zum Beispiel, wie viele Bunker es in Düsseldorf gab. Es gab einen großen Bunker am Hauptbahnhof und am Carlsplatz. Die Bevölkerung hatte in den Luftschutzkellern Schutz gesucht, doch waren die Keller oft nicht richtig abgestützt. Deswegen sind so viele im Keller gestorben. Neu für mich war zudem, wie viele „Scheinanlagen“ also Attrappen es gab, um Brände oder Industrieanlagen zu simulieren. Was die Alliierten dazu bringen sollte ihre Bomben an falschen Stellen abzuwerfen. Ich befasse mich in dem Buch hauptsächlich mit den Planungen der Royal Air Force und die Folgen für die Düsseldorfer. Wie hatte man sich vorbereitet, was gab es für eine Abwehr auf der deutschen Seite? Aber eben auch persönliche Schicksale.

Lassen Sie uns über diese sprechen.

Lesaar: Mit ein Schwerpunkt ist eine Crew, die unterschiedliche Schicksale erlitten hat. Es waren sieben. Zwei sind im Rahmen des Absturzes verstorben, ein paar kamen in Kriegsgefangenschaft und einer konnte mit der Résistance über Frankreich, Spanien zurück nach England fliehen. Da gibt es Unterlagen in englischen Archiven. Ein anderes Beispiel auf deutscher Seite ist ein junger Mann, der auf Urlaub zurückkam von einem Kriegseinsatz. Dann geschah der Luftangriff und er ist mit seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter, seiner Schwägerin und deren drei Monate altem Kind verstorben. So steht auch auf seinem Grab: „Du kamst zum Urlaub, um in der Heimat mit den deinen zu sterben.“ Es gab keine wirklichen Sieger, es waren alles nur Opfer.

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