Zwei Vennhauserinnen und ihre besondere Manufaktur

Lutz E. Dreesbach porträtiert in seinem Buch „Die guten Dinge“ ungewöhnliche Unternehmen in Nordrhein-Westfalen . Dabei sind auch die Düsseldorferinnen Marianne Putziger und Silja Kaeser mit ihrer Prägemanufaktur.

Zwei Vennhauserinnen und ihre besondere Manufaktur
Foto: Hannah Zückler

Düsseldorf. „Einmal sollte man seine sieben Sachen fortrollen aus diesen glatten Geleisen. Man müsste sich aus dem Staube machen und früh am morgen unbekannt verreisen. . .“ Wer sich der Düsseldorfer Prägemanufaktur nähert, entdeckt unweigerlich diese mit weißer Farbe auf die Fenster gemalten Zeilen der Lyrikerin Mascha Kaléko. „Damit kein falscher Eindruck entsteht — wir beabsichtigen nicht, zu verschwinden. Die Beschriftung dient dem Schutz vor Vogelschlag“, klärt Marianne Putziger auf. Gemeinsam mit Silja Kaeser übt sie am Grünberger Weg das klassische Handwerk des Prägedrucks aus.

Im grünen Hinterhof und in den Kellerräumen eines Doppelhauses, das Familie Putziger bewohnt, veredeln die beiden Unternehmerinnen in Handarbeit mit schillernden metallischen oder matten Farben besonders hohe Grammaturen von Feinstpapieren. „Prägen ist auffallen, glänzen, fühlen, Aufsehen erregen, beeindrucken, bezaubern, brillieren, hervorstechen, faszinieren, sich unterscheiden, sichtbar werden, aus dem Rahmen fallen, imponieren, glitzern, schimmern, leuchten, funkeln, strahlen, im Gedächtnis bleiben“, findet Marianne Putziger kaum ein Ende in ihrer wortreichen Begeisterung für den hochwertigen Prägedruck durch feine Druckveredelung mit Reliefprägung, Blindprägung, Heißfolienprägedruck, Goldschnitt, Silberschnitt und Kupferschnitt.

Die Idee zu diesem Tun hatte die Grafikdesignerin im Januar 2012. Durch ihren Mann erhielt sie erste Einblicke in die Prägetechnik, da seine Eltern seit den 1970er-Jahren einen Prägebetrieb vornehmlich für Kranzschleifen hatten. „Meine Überlegungen gingen dahin, diese hochwertige Drucktechnik mit neuen Designs zu beleben. Nachdem ich erste Gespräche vor allem in der Hochzeitsbranche geführt hatte, kam ich zu der Erkenntnis, einfach einmal loszulegen. Denn alles war da, sowohl die Maschinen als auch die familiäre und fachliche Unterstützung“, blickt Marianne Putziger zurück.

Allerdings wurde ihr schnell klar, dass der Aufbau einer Manufaktur im Alleingang schwierig und zu zweit deutlich mehr Spaß machen würde. Wenige Monate später dann die glückliche Fügung: „Über eine Freundin habe ich Silja kennen- und schätzen gelernt. Sie war schnell Feuer und Flamme.“ Anfang 2013 legte das Duo gemeinsam los. „Mich fasziniert besonders, dass bei unserer Manufaktur Design und Handwerk zusammenkommen, vor allem deshalb, weil ich gelernte Schreinerin als auch studierte Objekt-Designerin bin. Wir können alles sofort ausprobieren und neue Produkte entwerfen, die wir selber herstellen. Für mich bietet die Kombination von alter Technik und modernem Design unerschöpfliche Möglichkeiten in alle Richtungen“, begeistert sich Silja Kaeser.

Alte Technik — das sind bei der Manufaktur Vergolderpressen aus den 1930er- und 1950er-Jahren mit einer Druckleistung von 20 beziehungsweise 30 bis 40 Tonnen. Aus digitalen Vorlagen werden Stempel aus Magnesium oder Messing für die Heißfolienprägung hergestellt. Dabei wird die Prägefolie durch den erhitzten Stempel auf das Druckmaterial gepresst. Die bei dieser Prägeart entstandenen metallischen Farben wie beispielsweise Gold oder Silber lassen einen besonders hochwertigen Eindruck entstehen. Bei der Reliefprägung besteht der Stempel aus zwei Teilen, dem Stempel und dem Gegenstempel. Dadurch wird die Prägung deutlich fühlbar. „Das haptische Erlebnis und der Glanzeffekt verleihen dem Druckwerk zusätzliche Wertigkeit“, betont Marianne Putziger. Beprägbar seien fast alle Arten von Papieren und Karton, hochwertigen Feinstpapieren, Faltschachteln, einige Arten von Kunststoff , Zellstoff oder auch Bändern.

„Durch unsere Handarbeit sind wir in der Lage, Materialien zu prägen, die in Druckereien mit automatisierten Maschinen nicht bedruckbar sind. Dabei produzieren wir vor allem kleine bis mittlere Auflagen von hochwertigen Prägungen aller Art“, erklärt Silja Kaeser. „Ob 15 oder 300 Exemplare — jede zu prägende Karte oder Schachtel muss einzeln per Hand unter die Maschine gelegt werden, die dann mit großem Kraftaufwand betätigt werden muss. Danach spürt man abends alles“, meint sie. Während sie für Produktion und Entwicklung verantwortlich zeichnet, widmet sich ihre Partnerin vor allem den Aufgabengebieten Vertrieb, Marketing und PR.

Die beiden hatten sich zu Beginn ihres Miteinanders auf Hochzeitsthemen fokussiert. Doch die Investitionen in Zeit, Mühe und Geld zahlten sich nicht aus. Mittlerweile spricht ihr Geschäftskonzept vor allem Unternehmen, Werbeagenturen sowie Schachtel- und Boxenhersteller in Deutschland und den benachbarten Ländern an, die individuell und aufwendig gefertigte Heißfolien- oder auch Blindprägungen schätzen. Zu den namhaftesten Kunden der Manufaktur zählen mittlerweile auch Luxusmarken wie Rolls-Royce und renommierte Modelabels. „Auch das ist ein Zeichen dafür, dass wir in unserer Branche total ernst genommen werden“, freuen sich die Gründerinnen. „Dafür, dass wir vor wenigen Jahren nur mit einer Idee und alten Maschinen, aber ohne Kapital, Kunden oder Beziehungen ins kalte Wasser gesprungen sind, haben wir eine ganz schön weite Strecke zurückgelegt.“

Ihre Vision? „Wir möchten unsere Manufaktur Stück für Stück weiterentwickeln, mehr Umsatz generieren und Mitarbeiter einstellen.“ Erste Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel sind erreicht. Dies zeigen auch die Wahl zur Düsseldorfer Unternehmerin 2016 und die Nominierung für den Award des renommierten Papierherstellers Gmund für den besten Naturpapierdrucker.

Noch ist es für die beiden Inhaberinnen aber zu früh, die Verse von Mascha Kaléko aus ihrem bereits zitierten Gedicht in die Tat umzusetzen: „Man sollte nicht mehr pünktlich wie bisher um acht Uhr zehn den Omnibus besteigen. Man müsste sich zu Baum und Gärten neigen, als ob das immer so gewesen wär ...“ Mit Blick auf den positiven Trend der vergangenen Jahre ist es durchaus denkbar, dass auch diese Zeilen bald auf einem Fenster der Manufaktur zu lesen sein werden — und das vielleicht nicht nur zum Schutz der Vögel ...

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