Zwei tote Frauen — viele Fragen

Ob die Polizei der mutmaßlichen Mörderin ohne Hilfe aus Gießen auf die Spur gekommen wäre, darauf gibt es bisher keine Antwort.

Zwei tote Frauen — viele Fragen
Foto: Polizei

Düsseldorf. Der Kriminalfall von der Karolingerstraße scheint ein erfolgreiches Ende gefunden zu haben: Die mutmaßliche Mörderin der beiden Frauen, die Anfang Mai tot in einer Bilker Wohnung gefunden wurden, sitzt hinter Gittern. Doch rund um den Fall bleiben bislang noch viele Fragen offen. Wäre die Polizei der Verdächtigen auch ohne den Zufallsfund einer gestohlenen EC-Karte auf die Schliche gekommen? Und am wichtigsten: Kann ihr die Tötung der 58-Jährigen und deren Mutter tatsächlich nachgewiesen werden?

Dass die Düsseldorfer Öffentlichkeit von einem vermeintlichen Doppelmord mehr als drei Monate lang nichts erfährt, ist ungewöhnlich. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gab an, es habe zunächst viel für einen sogenannten erweiterten Suizid gesprochen — eine der Frauen tötete die andere und dann sich selbst. Thomas Hauburger von der Staatsanwaltschaft in Gießen, die seit Juli das Verfahren führt, geht bei allen drei Opfern — den beiden Düsseldorferinnen sowie dem 79-jährigen Gießener — von stumpfer Gewalt gegen Oberkörper, Hals und Kopf als Todesursache aus. Zu Spekulationen, dass die 58-jährige Tochter vergiftet worden sei, sagt er: „Ob eine Intoxikation eines der Opfer in Betracht kommt, wird weiter rechtsmedizinisch geprüft.“

Das Verletzungsbild passt also auch auf Tötung durch eine dritte Person. Allerdings hatten die Düsseldorfer Ermittler gute Gründe für die Suizidtheorie. „Es gab in der Vorgeschichte Anhaltspunkte“, erklärt Hauburger — ohne dass er weitere private Details über die Opfer nennen möchte. Doch zwei Wochen nach dem Leichenfund meldeten sich die Gießener Ermittler dann mit den bei der Verdächtigen (35) entdeckten EC-Karten aus der Wohnung der 58-Jährigen. Es klingt für Außenstehende, als wäre der Frau bis auf diesen kleinen Fehler um ein Haar der perfekte Mord gelungen.

Aber ist das so? Wäre die mutmaßliche Mörderin davongekommen? Eine dezidierte Antwort gibt es nicht. „Das Todesermittlungsverfahren war nicht abgeschlossen“, sagt Christoph Kumpa von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nur. Hauburger aus Gießen präzisiert: „Eine Reihe von Spurenuntersuchungen sind da noch gelaufen.“ Ob die Fahnder aber den gestohlenen Karten auf der Spur waren — dazu kann oder will sich niemand äußern. In der Vergangenheit waren die Ermittler in anderen Fällen schnell: Als 2008 ein Mann seine Ex-Freundin in Derendorf erdrosselte, stand wenige Tage später fest, dass er mit deren EC-Karten 1000 Euro abgehoben hatte. Als während der Rheinkirmes dieses Jahr ein junger Mann am Rheinufer überfallen, seine EC-Karte gestohlen und die Pin-Nummer erpresst worden war, fahndete die Polizei innerhalb von zehn Tagen mit Bildern einer Überwachungskamera nach den Tätern. Im aktuellen Fall kamen die Bilder erst jetzt von der Gießener Soko.

Warum das so ist, kann man in Düsseldorf nicht beantworten — Akte und Pressehoheit seien bei den Ermittlern in Hessen. „Wir haben hier einen großen Ermittlungserfolg erzielt. Durch akribische Arbeit“, erklärt dort Hauburger — die Arbeit der Ermittler in Düsseldorf wolle er nicht bewerten.

Offen bleibt somit, ob dieser Fall auch ohne Kommissar Zufall aufgeklärt worden wäre. Und ob auch das Gericht ihn für abschließend aufgeklärt halten wird. Denn es fehlen DNA-Spuren, die eindeutig beweisen könnten, dass die 35-Jährige in der Düsseldorfer Wohnung gewesen ist. Die EC-Karten könnte sie bei einem Taschendiebstahl erbeutet haben. Allerdings hat die Polizei bei der Verdächtigen auch eine Schmuckschatulle des 58-jährigen Opfers entdeckt — und die dürfte aus der Wohnung entwendet worden sein. Und: Laut Zeugen war die 35-Jährige am wahrscheinlichen Tattag, dem 7. Mai, in Düsseldorf. Der Todeszeitpunkt soll durch feingewebliche Gutachten nun noch weiter eingegrenzt werden.

Staatsanwalt Thomas Hauburger zumindest ist sich seiner Sache sicher und hat einen erweiterten Haftbefehl beantragt — dem das Amtsgericht folgte. Es bestätigte den dringenden Tatverdacht gegen die 35-Jährige wegen Mordes in nunmehr drei Fällen. Sie selbst schweigt weiterhin.

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