Zurück in die wirkliche Welt

Der Düsseldorfer Benjamin Esser hat mit Urbanara einen erfolgreichen Online-Shop. Jetzt eröffnet er einen echten Laden.

Zurück in die wirkliche Welt
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Die Zukunft des Einzelhandels liegt im Internet? Nicht nur, glauben immer mehr Unternehmer und kehren von der digitalen in die wirkliche Welt zurück. Mit Läden, in die man physisch und total real hineingeht statt nur draufzuklicken. Diesem Trend folgt auch der 37-jährige Benjamin Esser. Der gebürtige Düsseldorfer hat in den vergangenen fünf Jahren mit Urbanara einen erfolgreichen Onlineshop für Heimtextilien und Wohnaccessoires aufgebaut. Heute eröffnet sein Geschäft an der Hohe Straße.

An groben Stricken hängt ein Holzbett von der Decke, im Regal daneben liegen gefaltet warme Decken aus Alpakawolle. Ein Hinweisschild erklärt genau, wie die edlen 89-Euro-Teile gefertigt wurden, zwei Gütesiegel stehen darunter. Auf weiteren Tischen liegen Naturholz-Schneidebretter mit aufwändigen Schnitzereien für 35 Euro. Es gibt Bettwäsche aus ägyptischer Baumwolle, Maulbeerseide oder Leinen, 100-Prozent-Kaschmir-Schals für 85 Euro und handgefertigte Jute-Teppiche mit „Care & Fair“-Zertifikat.

Benjamin Esser, Unternehmer, über die Grenzen des scheinbar grenzenlosen World Wide Web

Umfangreiche Information gehört bei Benjamin Esser zum Konzept: „Man kann sich nicht Qualität auf die Fahnen schreiben, wenn man Qualität nicht erklärt“, glaubt er.

Der Ur-Benrather hat lange Zeit im Finanzwesen gearbeitet, zuletzt in London. Bis ein Freund, der eine Möbelfirma in Shanghai gegründet hatte, ihn für Start-up, freies Unternehmertum, E-Commerce begeisterte. „Ich habe von heute auf morgen zugesagt.“ Und ist nach China gezogen. „Da habe ich das Handwerkszeug gelernt.“ Und seine heutige Geschäftspartnerin Claire Davidson getroffen, mit der er 2011 Urbanara ins Leben rief.

„Die Idee war: Wir verbinden die Endkunden direkt mit den Herstellern“, erklärt Esser. Ohne zig Exportzwischenstationen sollte die Ware aus Fernost transparent sein. „Alles, was wir verkaufen, sind Produkte, die wir designt und hergestellt haben — und wo auch unser Name draufsteht“, sagt der 37-Jährige.

All das sind Dinge, die der Urbanara-Kunde in ausführlichen Beschreibungen, Bildern, Filmen im Internet von Anfang an erfahren konnte. „Zeigen kann man viel online, auch Geschichten erzählen“, sagt Benjamin Esser. Das wurde mit Erfolg quittiert: Inzwischen ist die Firma auf knapp 70 Mitarbeiter und einen Jahres-Bruttoumsatz von zehn bis 15 Millionen Euro gewachsen — jährlich um je 50 bis 100 Prozent. Aber ein Problem mit der Präsentation der Produkte im Web blieb: „Die Haptik kriegen wir nicht hin. Auch nicht die Glaubwürdigkeit.“

Die Kunden wollten kommen und anfassen. Also luden Esser und Davidson, die bald von Hongkong nach Berlin wechselten, sie zunächst in ihr Büro ein. Dann eröffneten sie einen Showroom. Jetzt konnten die Menschen anfassen — aber eben nicht gleich kaufen. Die Idee zum Laden in der echten Welt lag nahe. Die Idee zu Düsseldorf auch. „Meine Eltern sind ja hier um die Ecke“, lacht der Unternehmer. Und als er die Location in der Carlstadt sah, „da war alles klar“.

Der neue Shop hat auch für Benjamin Esser ein großes Plus — neben regelmäßigeren Besuchen bei seiner Familie. Denn er konnte zwar bisher genau verfolgen, wie sein Kunde auf seinen Online-Shop kam, dass er im Schnitt 1,4 Mal im Jahr kaufte und was. „Aber man hat kein Gesicht“, sagt der 37-Jährige. „Ich bin gespannt, jetzt zu sehen, wie unsere Kunden in Düsseldorf aussehen.“ Ja, die echte Welt hat doch echte Vorteile.

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