Wissenschaftler Nico Dragano im Interview: „Bloß keine Panik vor der Arbeitswelt von 2025“

Nach Nico Dragano sollten die Unternehmen in die Pflicht genommen werden.

Düsseldorf. Wie wird der Job-Alltag in Düsseldorf 2025 aussehen? Ist ein Burn-Out vorprogrammiert? Nico Dragano ist Wissenschaftler am Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemologie in Essen und lehrt zum Sommersemester an der Heinrich Heine Uni. Sein Forschungsschwerpunkt ist unter anderem die Arbeitsgesundheit. Im WZ-Interview verrät er, wie hart der Arbeitsmarkt 2025 werden könnte — und wie Arbeitnehmer diesen trotzdem meistern.

Herr Dragano, wenn Sie an die Düsseldorfer Arbeitswelt von 2025 denken — was fällt Ihnen zuerst ein?

Nico Dragano: Es wird mehr ältere Mitarbeiter in den Unternehmen geben. Das ist ein Trend, der natürlich mit dem demographischen Wandel einhergeht und den wir schon seit den frühen 2000ern beobachten können. Mit diesem Aspekt hängen verschiedene Faktoren zusammen. Es wird im Gegenzug auch weniger junge, qualifizierte Fachkräfte geben, weshalb die Unternehmen auch verstärkt auf Fachkräftejagd gehen werden.Von diesem Trend werden aber wohl vor allem gut ausgebildete Beschäftigte und solche, die in Branchen arbeiten, in denen jetzt schon Mitarbeiter fehlen — z.B. der Altenpflege — profitieren.

Wie stellen sich die Unternehmen 2025 darauf ein?

Dragano: Ein Beispiel ist die engere Zusammenarbeit der Betriebsärzte mit der normalen medizinischen Versorgung. Ein maßgeblicher Punkt ist aber auch die bessere Verteilung von Belastungen über die Lebensarbeitszeit, z.B. durch sinnvolle Rotationssysteme: Ein Dachdecker sollte nicht bis 67 weiter aufs Dach steigen müssen, sondern besonders im höheren Alter auf weniger anstrengende Tätigkeiten ausweichen können — während jüngere Kollegen die schwere körperliche Arbeit übernehmen. Es wird zudem mehr flexiblere Arbeitszeiten geben, was bereits erkrankten Erwerbstätigen zugute kommen würde.

Werden Unternehmen 2025 also verstärkt auf flexiblere Arbeitszeiten setzen?

Dragano: Es gibt Hinweise darauf, dass mehr Kontrolle über die eigenen Arbeitszeiten ein positiver Faktor ist. Insofern wird der Spielraum der Arbeitszeitgestaltung bis 2025 zumindest in einigen Bereichen steigen. Flexibilisierung findet aber noch woanders statt, nämlich bei der stetigen Zunahme der atypischen, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen wie Zeitarbeit, die fast alle Branchen betreffen.

Gehören (unbefristete) Arbeitsverträge damit bald komplett der Vergangenheit an?

Dragano: Insgesamt weisen die Entwicklungen tatsächlich in die Richtung: 2001 waren noch 19,7 Prozent der Arbeitnehmer atypisch beschäftigt. Mittlerweile sind es über 25 Prozent, mit steigender Tendenz. Auch hoch qualifizierte junge Absolventen werden zunehmend in unsichere Arbeitsverhältnisse rutschen. Einige wollen das nicht anders, die Mehrzahl hat jedoch mit den unsicheren Arbeitsverhältnissen und dem meist niedrigem Stellenwert im Kollegium zu kämpfen. Man wird in der Regel schlechter bezahlt, es entsteht Druck und dann ist auch die psychische Gesundheit gefährdet.

Wie äußert sich das in Düsseldorf?

Dragano: In Düsseldorf als wachsende Pendlerstadt wird sich dieser Trend besonders stark abzeichnen: Wenn die gut ausgebildeten Absolventen nicht in Düsseldorf zu finden sind, dann gibt es sie in den Nachbarstädten, was die Konkurrenz erhöht. Außerdem ist es in diesem Hinblick sehr wahrscheinlich, dass die Schere zwischen gut ausgebildeten Menschen und jenen, deren Qualifikation nicht so begehrt ist, weiter auseinandergeht.

Heißt das, der Arbeitnehmer von 2025 muss mit dem Burn-Out rechnen?

Dragano: Nein, nicht unbedingt. Zugleich gibt es auch viele Möglichkeiten, die Arbeit im Betrieb so zu gestalten, dass sie weniger gefährdend ist. Da reicht als Prävention natürlich nicht nur ein Entspannungskurs. Wenn mehr Unternehmen ihre Verantwortung auch für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter erkennen und entsprechend handeln, könnte der Trend bis 2025 vielleicht sogar gestoppt werden.

Wie genau sollten sich Unternehmen um Mitarbeiter kümmern?

Dragano: Einige kümmern sich ja schon und bieten beispielsweise Seminare für die bessere Arbeitseinteilung und den Umgang mit Stress an. Wenn ein Mitarbeiter aber nur drei Monate im Betrieb ist, wird er davon eventuell nichts mitbekommen, noch werden ihm diese ans Herz gelegt. Deshalb müssen sich die Arbeitgeber und Personalchefs auf die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter einstellen und gleiche Angebote schaffen. Auch hierbei ist die steigende Flexibilisierung wieder ein Stichwort.

Flexibilität ist oft vor allem für Erwerbstätige mit Kindern von Vorteil. Ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf 2025 einfacher?

Dragano: Wenn das Betreuungsangebot weiter so bleibt wie es ist, auch wenn wir im Landesvergleich in Düsseldorf noch gut aufgestellt sind, wird sich kaum Wesentliches ändern. Aber auch hier werden immer mehr Unternehmen umdenken und Betriebs-Kitas anbieten, wie in Düsseldorf etwa Vodafone. Wenn der Mitarbeiter die Unterstützung des Arbeitgebers spürt, sorgt das auch für ein gesundes Arbeitsklima. Ob wir dann automatisch auch mehr Frauen in Chef-Etagen haben, kann man aber nicht sagen

All das sind nicht unbedingt rosige Aussichten. Muss man sich vor der Arbeitswelt 2025 fürchten?

Dragano: Bloß keine Panik vor der Arbeitswelt 2025. Trends müssen nicht grundsätzlich etwas negatives sein, es kommt darauf an, was man daraus macht. Gute Unternehmen werden für alle Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung anbieten. Und auch auf die anderen wächst durch die Entwicklungen der Druck, etwas zu verändern. Ein gut qualifizierter Arbeitnehmer kann also relativ entspannt in die Zukunft blicken.

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