Wie erhaltenswert ist die Architektur der 60er und 70er?

Rundgang durchs Schauspielhaus lenkt den Blick auf Bauwerke der zweiten Nachkriegsmoderne.

Düsseldorf. In der Oper sind Führungen hinter den Kulissen längst an der Tagesordnung. Im Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz haben sie eher Seltenheitswert. Entsprechend gut besucht ist die vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz angebotene Führung am Samstag durch das frisch sanierte große Haus. Pikanter Hintergrund: Bei den Denkmalschützern herrscht Skepsis, ob die im Zuge der Asbestsanierung erfolgte Verkleinerung des Zuschauerraumes dem Denkmalschutz entspricht.

Zwar wurden die Umbauarbeiten von der Unteren Denkmalbehörde (gehört zur Stadtverwaltung) abgenickt, die beim Landschaftsverband angesiedelte Obere Denkmalbehörde lehnte die Veränderungen dagegen ab. Ohne allerdings — wie etwa beim Tausendfüßler — einen Ministerentscheid angestrebt zu haben.

Die Schauspielhaus GmbH bestand denn auch darauf, dass als Führer auch der ausführende Architekt Jörg Friedrich aus Hamburg engagiert werden musste, ansonsten hätte der Verein die Führung abblasen müssen.

Ursprünglich sollte Bruno Braun, Vorsitzender der Düsseldorfer Fraktion des Bundes Deutscher Architekten (BDA), diesen Part übernehmen. An ihn hatte sich die Familie des Schauspielhaus-Erbauers gewandt, als diese realisierte, dass nicht nur der Asbest entfernt, sondern auch die Konstruktion des Zuschauerraums verändert werden sollte. Hat die Sanierung das Denkmal beschädigt — oder nicht? Diese Frage stand unausgesprochen im Zentrum der Besichtigungstour.

Für Friedrich, anerkannter Spezialist für Theaterbauten mit Büros in Hamburg, Genua und Rom, gibt es nur eine Antwort: Der Denkmalschutz wurde nicht beeinträchtigt. Die erfolgten Veränderungen seien der Funktion geschuldet, erklärt er gleich zu Beginn der Führung. Unter allen Intendanten seit Günter Beelitz (1976 bis 1986) habe der große Saal als schwer bespielbar gegolten. Die Bühne sei zu breit, der Zuschauerraum zu groß und im Bereich der mittleren Sitzreihen die Akustik miserabel, so die Klagen.

Friedrichs Lösung der Probleme bestand in einer Reduzierung des Zuschauerraums in der Höhe, der Breite und der Tiefe. Folge war eine Reduzierung der Sitzplätze von rund 1000 auf 800. Dadurch wurde Platz geschaffen für eine ausgefeilte Technik oberhalb des Zuschauerraums zur Verbesserung der Akustik. Nur: Für die Erbauer-Familie Pfau ist das eine Veränderung von Bernhard Pfaus Werk.

Die Führung durch das Schauspielhaus steht im Zeichen der vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege initiierten Charta von Bensberg. Darin soll die zweite Nachkriegsmoderne, also die Zeit zwischen 1960 und 1980, verstärkt in den Blick des öffentlichen Bewusstseins gerückt werden. Obwohl mittlerweile einige Bauten dieser Zeit unter Denkmalschutz stehen, beziehungsweise. standen, bleibt deren Wertschätzung gering.

Zu gering, wie der zweite Vorsitzende des Rheinischen Vereins, Reinhard Lutum findet. So wurde 1997 das ehemalige Studienhaus in Unterbilk (übrigens ebenfalls ein Werk von Pfau) abgerissen, um im Zuge der Umgestaltung des Geländes rund um den neuen Landtag Platz für ein Wohnhaus zu schaffen.

Bruno Braun, der als Vertreter des BDA die Charta von Bensberg unterstützt, bemängelt, dass es in Düsseldorf im Gegensatz zu Köln und Neuss keinen Gestaltungsbeirat gibt, in dem auch Bürger ein Mitspracherecht haben. Stadtplanung dürfe nicht ausschließlich von Investoren und der Politik bestimmt werden, so seine Forderung.

In der Charta von Bensberg, deren Ergebnisse zur Jahresmitte veröffentlicht werden, sehen die Initiatoren eine Chance, Auswege auch aus verfahrenen Situationen zu finden. Davon gibt es in Düsseldorf mehrere: Da ist nicht nur der Streit um das Denkmal Schauspielhaus, sondern auch um den Tausendfüßler, der mit Schauspielhaus und Dreischeibenhochhaus eine städtebauliche Einheit bilde. Auch der Übergang vom Hofgarten zum Kö-Bogen müsse aus Sicht des Denkmalschutzes noch einmal überdacht werden, finden Lutum und Braun.

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