Wie das Gericht jede Sprache spricht

Übersetzer spielen in Prozessen eine entscheidende Rolle. Der Dolmetscher erzählen, worauf es dabei abkommt.

Wie das Gericht jede Sprache spricht
Foto: Sergej Lepke

Als im Juni vergangenen Jahres die ehemalige Messehalle brannte, in der 300 Flüchtlinge untergebracht waren, musste die Polizei innerhalb kürzester Zeit etliche Zeugen vernehmen. Kaum einer von ihnen sprach Deutsch, also wurden alle verfügbaren Übersetzer verpflichtet. Im Prozess stellte sich dann heraus, dass einige davon völlig überfordert waren. „Das habe ich nie gesagt“, war ein Satz, den das Gericht öfter zu hören bekam. Am Ende wurden die Angeklagten frei gesprochen. Nicht zuletzt wegen der zahlreichen Fehler bei den Zeugenaussagen. Trotzdem muss das Gericht alle Sprachen sprechen, denn oft kommt es auf Kleinigkeiten an. Wie das funktioniert, erklären drei erfahrene Dolmetscher. Laura Malvina Goek, Olga Kuhlen und Safet Ameti sind insgesamt für zwölf verschiedene Sprachen vereidigt.

Ihre Wege sind grundverschieden. Olga Kuhlen (Ukrainisch und Russisch) und Safet Ameti (Albanisch, Mazedonisch, Serbisch, Kroatisch und Bosnisch) haben zunächst Deutsch als Fremdsprache studiert und als Lehrer gearbeitet. Laura Malvina Goek (Englisch, Italienisch, Türkisch, Französisch und Spanisch) hat russisch-italienisch-türkische Wurzeln und ist multikulturell aufgewachsen: „Mein Vater ist Pilot. Wenn Freunde da waren, wurde Englisch gesprochen. Das konnte ich, bevor ich in die Schule kam.“ Mit vierzehn belegte sie alle Sprachkurse, die das Gymnasium zu bieten hatte, ein Jahr später begann sie Russisch zu lernen - zusammen mit der Frau ihres Gitarrenlehrers. Dass sie am Ende hauptberuflich als Dolmetscherin arbeiten würde, war für die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin ein Zufall: „Es kamen immer mehr Aufträge dazu.“

Wer als Dolmetscher im Gericht arbeiten will, muss nicht nur die Sprache beherrschen. „Nachweisen kann man das entweder durch eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer oder ein abgeschlossenes Studium“ , so Laura Malvina Goek. Es werden auch Kenntnisse der juristischen Fachsprache erwartet. Beeidigt werden Dolmetscher dann aber ausschließlich vom Oberlandesgericht.

Wenn die Polizei Dolmetscher zulässt, sind die Anforderungen übrigens nicht so hoch - und auch bezahlt wird weniger. Hier gebe es Dolmetscher, die für Sprachen zugelassen sind, obwohl sie diese nicht ausreichend beherrschen. Oft falle das lange nicht auf. Gerade bei exotischen Sprachen oder Dialekten sei es für das Gericht sehr schwer, in der Verhandlung zu erkennen, ob es da ein Problem gibt.

Die Übersetzer sind das Sprachrohr von Angeklagten oder Zeugen. Oft kommt es auf Details an. Eine unklare Aussage wird in der Übersetzung oft noch weniger deutlich. „Es gibt Richter, die wollen, dass wir jedes gesprochene Wort übersetzen. Egal, ob das Sinn macht oder nicht. Andere haben lieber, wenn wir nachfragen und das übersetzen, was tatsächlich gemeint ist“, weiß Safet Ameti. Manchmal liegen die Probleme aber gar nicht an der Sprache, sondern am Bildungsstand. Ameti: „Wenn ich übersetze, dass ein Angeklagter mich nicht versteht, dann denkt der Richter manchmal, ich hätte die falschen Fragen gestellt. Dabei kann der Angeklagte dem Thema einfach nicht folgen.“

Neben den Straf- und Zivilprozessen werden die Dolmetscher auch bei Familiensachen eingesetzt. „Wenn es um Kinder geht, um Scheidungen oder um Abschiebungen, das geht einem sehr nahe“, sagt Olga Kuhlen. Oft müssen sehr persönliche Dinge übersetzt werden, davon nehme man manches mit nach Hause. Grundsätzlich könnten sich alle Drei vorstellen, dass ein Leitfaden für Dolmetscher vom Oberlandesgericht Berufseinsteigern helfen könnte, sich auf die speziellen Anforderungen bei Gericht vorzubereiten.

Laura Malvina Goek: „Vielleicht würde ein Kurzlehrgang bei der Beeidigung neuen Dolmetschern bei der Orientierung helfen.“

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