Was die Retter verletzlich macht

Buch: Günter Nuth lässt Feuerwehrleute erzählen, welche Einsätze sie bis heute verfolgen.

Düsseldorf. Günter Nuth hat selbst ein Fotoalbum im Kopf. Bilder von einem Kind unter einem Lkw, das wie seine Tochter aussieht. Ein Mann, der aus dem Fenster einer brennenden Wohnung springt und neben ihm auf der Straße aufkommt. Er sieht sich selbst, wie er dort steht und denkt: Das hätten wir doch geschafft, dich gerettet. Über diese Bilder hat der Düsseldorfer Feuerwehrmann jetzt ein Buch geschrieben.

"Blaulicht im Feuer - was uns bleibt, sind die Bilder" erzählt die Geschichten von 23 Feuerwehrleuten und Rettungskräften aus ganz Deutschland. Harte Kerle verraten, was sie verletzlich macht. "Es ist nicht die Anzahl der Leichen oder die Menge des Blutes", sagt Günter Nuth. "Aber wenn man jemanden aus einem Autowrack schneidet, der nicht überleben wird, und man findet einen Teddy mit Karte auf dem Beifahrersitz: ,Komm gut heim’... Wir gehen mit einem Panzer in den Einsatz. Aber auf einmal kommen wir zu nah an einen Menschen heran und der Panzer wird durchlässig."

Die Nähe zu den Menschen, die Berührung mit ihren Tragödien, ist gefährlich für die Retter. Das war immer so. "Aber früher hieß es dann einfach: Trink dir einen und krieg es weg aus dem Kopf. Aber es geht nicht um das Wegkriegen", sagt Günter Nuth. Noch heute falle es vielen Feuerwehrmännern schwer, die eigene Verletzlichkeit zuzulassen. "Ein Kollege kam ein halbes Jahr nach einem solchen Einsatz zu mir, geplagt von Alpträumen. Er dachte, die Bilder gehen irgendwann schon von allein weg. Aber das passiert nicht."

Günter Nuth ist nicht nur Einsatzleiter bei der Düsseldorfer Feuerwehr, er ist auch Fachberater für Psychotraumatologie und Mitglied des Open-Teams. Fünf feste Mitarbeiter und zwölf weitere fortgebildete Rettungskräfte stehen in diesem Team bereit, wenn ein Kollege mit den Bildern eines Einsatzes nicht zurechtkommt. Seit 15 Jahren gibt es diese Betreuung in Düsseldorf - die Stadt war einer der Pioniere. "In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bis heute 20Berater für das ganze Land", sagt Nuth.

Dabei habe die Loveparade-Katastrophe gezeigt: "Die Betreuung der Einsatzkräfte muss Standard werden." Aus Düsseldorf seien innerhalb einer Stunde 17Fachkräfte losgefahren. Es war ein Tag mit vielen Bildern. Vielleicht konnten einige von ihnen so besser verarbeitet werden.

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