Warum die Düsseldorfer Straße im Städtevergleich so selten ist

Eine Wissenschaftlerin erklärt, welche Erkenntnisse aus unserer Rangliste der Großstadt-Straßennamen gewonnen werden können — und welche nicht. Klar ist: viel einbilden dürfen sich die gut platzierten Städte nicht.

Warum die Düsseldorfer Straße im Städtevergleich so selten ist
Foto: Sebastian Brück

Düsseldorf. Es ist doch nur ein Name, oder? Irgendwas mit Schall und Rauch.

Oder etwa doch nicht? So einfach jedenfalls will uns das Thema nicht loslassen. Ein bisschen gekränkte Eitelkeit ist vielleicht auch dabei. Deshalb hier noch mal die Frage, mit der uns der Düssel-Flaneur in der Samstagsausgabe zurückgelassen hat: Warum in Herrgotts Namen sind im Vergleich der deutschen Großstädte so wenige Straßen nach Düsseldorf benannt? Die siebtgrößte Stadt Deutschlands und nur 73 mal Namenspate und somit Platz 35? Während Sieger Berlin 961 und der Zweite Dresden (!) 480 Treffer hat (siehe Kasten)? Hat die Landeshauptstadt etwa weniger Strahlkraft, als wir Einheimische gerne glauben? Sind da vielleicht sogar Rückschlüsse auf die Bedeutung einer Stadt zulässig? Nach kurzem Schreck folgt eine Spurensuche.

Eine Nachfrage bei der Stadtverwaltung soll zunächst einmal grundsätzlich weiterhelfen. Wie kommen Straßennamen eigentlich zustande? Stadtsprecher Paulat erklärt: Ein Vorschlag wird an die Stadtverwaltung herangetragen. Stadtarchiv sowie Mahn- und Gedenkstätte prüfen den Namen, über den verwaltungsintern beraten wird. Die endgültige Entscheidung trifft dann die Politik, also Bezirksvertretung oder Stadtrat.

Weiteren Aufschluss gibt das Blättern im Werk von Hermann Kleinfeld „Düsseldorfs Straßen und ihre Benennungen.“ Es wird deutlich, dass einige Varianten der Düsseldorfer Straße in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aus den Verzeichnissen verschwanden. Sie mussten etwa in Eller, Holthausen, Kaiserswerth und Ludenberg nach den Eingemeindungen umbenannt werden, da sie sich sonst mit der seit 1909 in Oberkassel am Rhein entlanglaufenden Düsseldorfer Straße gedoppelt hätten. Hier lässt sich eine Urfunktion von Straßennamen ablesen, sie weisen den Weg zu Nachbarstadt oder -dorf — je größer, desto mehr Verweise.

Ein einheitliches Muster für die Bennenung von Straßen nach Großstädten lässt sich in Düsseldorf nicht herauslesen. Die Hamburger Straße gibt es eben wegen des wichtigen Hafens, die Münchener Straße wegen des großen Verkehrs- und Industriezentrums. Als unwahrscheinlich gilt bei Letzterer übrigens, dass sie nach Kurfürst Karl Theodor benannt wurde, Bauherr von Schloss Benrath, der seine Residenz nach München verlegte.

Auffallend jedoch: Die in unserem Ranking hochplatzierten Namen nach ostdeutschen Städten — wie Dresdener, Leipziger und Magdeburger Straße — sind auch im Westen sehr verbreitet und wurden in Düsseldorf wie auch an vielen anderen Stellen erst nach der Teilung Deutschlands festgelegt. Eine Funktion als Wegweiser haben sie also nicht mehr.

Dazu sagt Rita Heuser von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, die im Werk „Eine Einführung in die Onomastik“ ein Kapitel über Straßennamen verfasste: „Neuzeitlich spielt oft eine Gedenkfunktion bei der Benennung mit, um Beispiel als Symbol der deutschen Teilung. Hier ist Berlin als geteilte Stadt zu nennen, aber auch andere ostdeutsche Städte, die auch oft Partnerstädte westdeutscher Städte waren.“ Dazu passt die — ebenfalls weit vor der Düsseldorfer Straße platzierte — Chemnitzer Straße in Düsseldorf (selbst wenn die Städtepartnerschaft erst nach der Benennung zustande kam).

Während die ostdeutschen Städte auch im Westen sehr präsent sind, ist die Düsseldorfer Straße vor allem auf die „umgebende Region beschränkt“, wie Heuser sagt. Allerdings gilt das auch für die viel besser platzierten Mainz und Köln, was laut Heuser wiederum „durch die mittelalterlichen Bedeutungen als Erzbischofssitz und Handelszentrum bedingt sein mag“. Hinzu komme, dass Mainz Zentrum eines viel größeren Gebietes war als das im Ballungsraum Rheinland und Ruhrgebiet der Fall sein konnte. Der Konkurrenzdruck der Städte sei viel größer gewesen. Dortmund komme wohl genau deswegen im Ranking völlig unter die Räder (Platz 53), obwohl achtgrößte Stadt Deutschlands.

Auch die hohe Platzierung Frankfurts kann Heuser ein Stück relativieren. „Bei der Frankfurter Straße kann man sehr schön ein zweitgeteiltes Gebiet erkennen: ein westliches Gebiet, das auch historisch gewachsen sein kann und das historische Handelsnetz mit Frankfurt als Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege abbildet, und einer östlichen Konzentration, die auf Frankfurt/Oder als Quelle hinweist.“

Man sieht, die Rangliste geht auf einen ganzen Strauß von Faktoren zurück. Für uns Düsseldorfer zieht Heuser deshalb ein beruhigendes Fazit: „Wenn überhaupt, lässt sich an einigen Stellen etwas über die historische Bedeutung von Städten ablesen, aber nur sehr bedingt über die aktuelle.“

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