„Verlorene Lieder“: Sehbehinderte genießen Theater

Per Audiodeskription wurde ihnen das Stück der Bürgerbühne des Schauspielhauses zugänglich gemacht.

„Verlorene Lieder“: Sehbehinderte genießen Theater
Foto: J. Michaelis

Während ein Teil des Publikums noch im Foyer wartet, gehen rund 40 Besucher über die Bühne. Sie fühlen über die Requisiten, alte Kassettenrecorder oder Schallplatten. Die Menschen sind blind und sehbehindert. So erfassen sie den Ort, an dem gleich Schauspieler das Theaterstück „Verlorene Lieder“ aufführen.

Das Stück der Bürgerbühne des Düsseldorfer Schauspielhauses wurde im Dezember letzten Jahres uraufgeführt. Linda König vom LVR-Zentrum für Medien und Bildung machte es für den Freitagabend einem breiteren Publikum zugänglich. Sie schrieb eine Audiodeskription, die ein Sprecher live einspricht und per Kopfhörer übertragen wird. Unterstützt wurde König von der Kulturwissenschaftlerin Annalena Knors, die selbst von Blindheit betroffen ist. „Das war sehr wichtig“, sagt Linda König. „Annalena hat gesagt, da war ein Geräusch, das muss erklärt werden.“

Im Stück unter der Regie von Christof Seeger-Zurmühlen gibt es viel Musik. Die 18 Düsseldorfer im Alter von 15 bis 81 Jahren machen sich auf die Suche nach verschwundenen und verdrängten Liedern ihrer Jugend. Lieder, die sie mit verlorener Liebe oder mit dem Scheitern ihrer Karriere verbinden. Die Schauspieler singen und entscheiden, ob sich das Vergessen lohnt.

Ihre Blindenhunde konnten sie abgeben. „Die haben schon viel mitgemacht, Rockkonzerte, Oper, Musicals“, sagt Beate Vollmer. Tatsächlich liegen die Hunde auch nach dem Stück noch friedlich im Foyer. „Es ist toll, dass es so etwas endlich in Düsseldorf gibt“, findet sie. Die Fahrt in eine andere Stadt sei für die beiden aufwändig. „Als ich von dem Stück mitbekam, habe ich direkt zugesagt“, erzählt auch die Düsseldorferin Britta van Hall. Sie freue sich, dass es nun auch für sie zugänglich gemacht wurde. „Im Theater gibt es hier ein solches Angebot sonst nicht.“

Zu Beginn des Stücks stellt Sprecher Julian Moreyseck die Darsteller und den Aufbau der Bühne vor. „Zwei Podeste und eine bewegbare Vitrine sind von zentraler Bedeutung.“ Nicht jedes Detail erwähnt er. Während des Stücks sind die eingesprochenen Erklärungen zeitversetzt, um ein Lied oder ein Geräusch auf der Bühne nicht zu unterbrechen. „Lilli tritt in den Vordergrund“, sagt der Sprecher. Dort stand sie bereits, doch nun leuchtet auch das Licht auf sie. Diese wichtigen Informationen, die im Theater etwa über das Licht transportiert werden, musste Linda König in der Audiodeskreption übersetzen. Das Mädchen Lilli erzählt von ihren Angstzuständen. Sie muss im Haus alles kontrollieren und fürchtet, dass sie ihre Eltern verliert. „Das Licht geht aus, die Darsteller verbeugen sich“, sagte eben noch der Sprecher. Nun steht Britta van Hall im Foyer und gibt die Kopfhörer ab. „Es hat mir gut gefallen, allerdings hätte die Audiodeskreption noch ausführlicher sein können.“Während eines italienischen Lieds wurde die Übersetzung an die Wand projiziert, jedoch nicht durch den Sprecher genannt. Ihr Freund habe ihr da geholfen. Glücklich über das Projekt ist sie trotzdem. Sie hofft, dass es bald mehr solcher Angebote in Düsseldorf gibt.

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