Tomaten und Melonen vom Rhein

Der Klimawandel lässt einige Pflanzen- und Tierarten abwandern, dafür bürgern sich solche aus wärmeren Ländern bei uns ein. Biologen untersuchen diese Veränderungen.

Tomaten und Melonen vom Rhein
Foto: Nikolas Golsch (1), Ulf Schmitz (2)

In warmen Sommern reifen mittlerweile die ersten Tomaten am Rheinufer. Wassermelonen bringen es immerhin bis zur Blüte, auch wenn sie in der Regel noch keine Früchte bilden. Nur zwei von unzähligen floralen Beispielen, die zeigen, dass der Klimawandel längst ganz lokal auf unsere heimischen Ökosysteme wirkt.

Tomaten und Melonen vom Rhein
Foto: Nikolas Golsch (1), Ulf Schmitz (2)

Um etwas mehr als ein Grad ist die Düsseldorfer Durchschnittstemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gestiegen. Das verändert die Umwelt: „Dem wollen wir nicht tatenlos zusehen“, sagt Stefan Wenzel vom Umweltamt. Seit 2009 kartieren deswegen fünf Biologen jährlich ausgewählte Tier- und Pflanzengruppen. Klimafolgenmonitoring nennt sich das Projekt, aus dem jedes Jahr ein detaillierter Bericht hervorgeht; das macht kaum eine andere Stadt. „Wir wollen wissen, welche Arten durch den Klimawandel bedroht sind, welche neu zu uns kommen und welche vielleicht an andere Stellen der Stadt wandern“, sagt Wenzel. So will die Stadt frühzeitig erkennen können, welche Biotope besser vernetzt werden müssen, um Wanderungen von Tierarten zukünftig zu unterstützen.

Tomaten und Melonen vom Rhein
Foto: Nikolas Golsch (1), Ulf Schmitz (2)

Konkret nehmen die Biologen Vögel, Libellen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Blütenpflanzen und Flechten unter die Lupe. Nach acht Jahren Kartierungsarbeit sind jetzt erste Trends erkennbar: „Der Anteil wärmeliebender Pflanzen nimmt deutlich zu“, sagt Biologe Ulf Schmitz, Verantwortlicher des Projekts. Das sei eine ganz konkrete und lokal spürbare Folge des Klimawandels. Tomate und Wassermelone seien nur zwei von vielen Arten, die sich am Rhein mittlerweile wohl fühlen. „Es dauert aber noch eine Zeit, bis diese Arten dauerhaft in der Lage sind, sich fortzupflanzen“, sagt Schmitz.

Zu beobachten ist, dass sich zunehmend Arten aus wärmeren Klimazonen bei uns wohl fühlen, „andere befinden sich gerade auf der Schwelle der Einbürgerung“, sagt Schmitz. Einige zählten in den jüngsten Kartierungen schon zu den häufigsten Arten auf den Untersuchungsflächen, kälteliebende Arten befänden sich dagegen auf dem Rückzug.

Ökologisch problematisch sei das alles aber weniger, die große Mehrzahl der neuen Arten sei nicht in der Lage, einheimische Arten zu verdrängen. Bemerkenswert ist aber diese Erkenntnis von Schmitz: „Der Anteil nicht einheimischer Pflanzenarten am warmen und offenen Rheinufer ist erheblich gestiegen in den letzten Jahren.“ Lag er zu Beginn der Untersuchungen 2009 noch bei rund 24 Prozent der gesamten Artenzahl, sind mittlerweile 30 Prozent geworden.

Auch bei den Insekten verschieben sich Arten, wenn auch weniger drastisch. Neu ist etwa die Kleine Königslibelle, die in sich erst in den vergangenen zehn Jahren in Düsseldorf verbreitet hat. Ursprünglich vor allem in Südeuropa verbreitet, wandert die Libelle mit zunehmender Temperatur gen Norden — und ist mittlerweile eine der häufigsten Libellenarten beispielsweise am Unterbacher See. Bei den Vögeln breitet sich der Orpheusspötter vermehrt in Düsseldorf aus, dafür wandert der verwandte Gelbspötter ab.

Artenwanderungen finden aber auch im Kleinen statt, von wärmeren Stellen der Stadt an kühlere. Das Kleine Granatauge etwa, eine Libellenart, konnte im Jahr 2009 erstmals auf dem Golfplatz Hubbelrath (eine der kühlsten Stellen der Stadt) nachgewiesen werden. Solche Wanderbewegungen, seien zwar eine logische Folge des Klimawandels — aber kein Automatismus, sagt Ulf Schmitz: „Die Klimabedingungen sind ja nur ein Faktor. Ein Vogel muss nicht nur die richtige Temperatur vorfinden um hier heimisch zu werden, sondern auch geeignete Brutplätze und Futter.“

Besonderes Augenmerk richten die Biologen bei ihren Kartierungen auf die Gruppe der Flechten, Symbiose-Organismen aus Pilz und Alge. Sie dienen nicht nur als Indikator für Klimaveränderungen, sondern auch für Luftreinheit und -qualität. Bis in die 1990er Jahre hinein waren die meisten Bäume in der Innenstadt aufgrund immenser Luftbelastung arm an Flechten und Moosen, heute sind viele Stämme von teils auffallend bunten Blattflechtenarten überzogen, die auf saubere Luft angewiesen sind — ein Anzeichen dafür, dass sich die Luftqualität verbessert hat. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in der oft mikroskopisch kleinen Welt der Flechten Veränderungen durch den Klimawandel: Wärmeliebende Arten breiten sich aus, kälteliebende ziehen sich zurück.

Ab diesem Jahr kümmert sich ein Biologe zusätzlich um eine erste Bestandsaufnahme der Stechmücken. Um auch hier auf neue Arten vorbereitet zu sein: „Die Mücken sind für uns als potenzielle Krankheitsüberträger interessant“, sagt Stefan Wenzel. So ließe sich zum Beispiel über eine Art Frühwarnsystem für Tigermücken nachdenken.

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