Neues Programm im Kom(m)ödchen Thomas Freitag: „Das Internet ist ein furchtbarer Kotzkübel“

Europa und der digitale Wahn — Kabarettist Thomas Freitag zeigt Mittwoch im Kom(m)ödchen sein neues Programm.

Neues Programm im Kom(m)ödchen: Thomas Freitag: „Das Internet ist ein furchtbarer Kotzkübel“
Foto: Thomas Freitag

Düsseldorf. Das Kom(m)ödchen ist noch immer sein Mutterhaus, sagt Kabarettist Thomas Freitag. Deshalb ist es für den 66-Jährigen selbstverständlich, sein neues Solo in Düsseldorf erstmals auf die Bühne zu bringen. Geschrieben hat es Dietmar Jacobs — ein weiteres Mitglied aus der künstlerischen Familie des Theaters.

Herr Freitag, Ihr neues Programm nennt sich „Europa — der Kreisverkehr und ein Todesfall“. Das klingt dramatisch. Wie ist es um Europa bestellt?

Thomas Freitag: Schlecht. Und da ich überzeugter Europäer bin, muss man was tun.

Was ist Ihr Peter Rübenbauer für ein Typ?

Freitag: Ich spiele einen EU-Beamten, der für Kreisverkehre zuständig ist und bei einer Einweihungsfeier in einen Unfall gerät. Er weiß nicht mehr, ob er noch lebt. Das ist eine schöne Ausgangsposition. Weil er nicht verstehen kann, dass so viele schlecht über Europa reden und raus wollen, kommt er immer wieder auf die Geschichte zurück. Von Rom aus wurde ja der ganze Kontinent regiert, auf dem auch unsere Kultur fußt. Das muss man den Leuten immer mal wieder sagen. Von den Germanen ist ja schrecklich wenig gekommen.

Was ist für Sie der europäische Gedanke?

Freitag: Es geht um Großzügigkeit und Kunst, um Rechte und Religionsfreiheit. Das gemeinsame Denken ist eine andere Ebene als die gemeinsame Kohle, und wir haben Europa verkommen lassen. Geschäfte machen, das gefällt den Osteuropäern gut, aber die moralische Bürde wollen sie nicht auf sich nehmen.

Wann haben Sie begonnen, das Programm zu schreiben?

Freitag: Vor einem Jahr. Ich mache das ja mit dem Autor Dietmar Jacobs zusammen, er gießt meine ganzen Ungereimtheiten in ein Bild. Das kann er besser als ich. Angefangen vom Internet, vom digitalen Wahn bis zur Geldpolitik. Ich möchte das gerne durch eine Figur und eine Haltung verkörpern, ich nenne das satirisches Kammerspiel. Auf- und Abgeher gibt es genug.

Sie schaffen sich durch die Figur eine Möglichkeit, nicht dem aktuellen Geschehen hinterher zu hetzen . . .

Freitag: Völlig richtig. Ich laufe nicht jeder Sau hinterher. Aber ich war selten mit einem Programm so nah an der Zeit wie jetzt.

Wo hört die Rolle auf und fängt Thomas Freitag an?

Freitag: Die Hauptfigur lehnt sich natürlich ein bisschen an Thomas Freitag an. Der wird konfrontiert mit Einzelfiguren, ich lasse etwa Zeus auftreten und komme als evangelischer Selbstmordattentäter auf die Bühne. Peter Rübenbauer ist am Anfang noch anders gestrickt als am Ende, da fragt er sich: Was ist die Bilanz meines Lebens? Er hat den Tunnel gesehen und das Licht.

Als Kabarettist haben Sie die Aufgabe zu sagen, was Ihnen stinkt. Das ist sehr viel persönlicher als die zurzeit diskutierte Hassrede im Internet . . .

Freitag: Ich bin ein Komödiant und habe die Begabung der Parodie, ich kann Charaktere kurzfristig zeichnen. Ich möchte die Leute mit etwas Sinnvollem traktieren.

Und was passiert im Netz, wenn Leute ihren Unmut über das politische System äußern?

Freitag: Ich finde das einen furchtbaren Kotzkübel, der die Menschen durcheinander bringt. Bei allen Vorteilen, die das Internet hat, folgt der Missbrauch auf dem Fuße.

Was fällt Ihnen ein, wenn in Dresden bei der Feier zur Deutschen Einheit von Rechten gepöbelt und gehetzt wird?

Freitag: Es ist von einer Widerlichkeit, die nicht mehr zu überbieten ist. Ich kann da nur moralisch etwas entgegensetzen und fragen, was muss eigentlich passieren, damit die Deutschen ihren Arsch erheben und auf die Straße gehen? Es liegt an der großen schweigenden Mehrheit. Ich bin sehr im Zwiespalt, ob man die Feinde der Demokratie mit demokratischen Mitteln bekämpfen kann, oder ob hier nicht andere Regeln gelten sollten.

Was fehlt den Menschen?

Freitag: Uns fehlen die großen Vordenker, die Philosophen und Schriftsteller. Die haben sich alle vom Acker gemacht und wir leben in so einer furchtbar mittelmäßigen Zeit.

Warum bringen Sie Ihr Programm wieder im Kom(m)ödchen raus?

Freitag: Ich betrachte das Kom(m)ödchen nach wie vor als mein Mutterhaus. Ich schätze die Truppe und die Politik von Kay. Dass das Kom(m)ödchen in Düsseldorf so erfolgreich ist, das finde ich großartig. Kay Senior und Lore Lorentz können eigentlich nur noch applaudieren.

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