Serie Theater-Menschen: Der Mann für jeden Ton

Wir begleiteten Menschen vom Schauspielhaus Düsseldorf bei ihrer Arbeit. Als Auftakt für unsere Serie trafen wir den Tontechniker Marco Schretter und haben ihm während der Aufführung von „Die größte Gemeinheit der Welt“ — im wahrsten Sinne des Wortes — über die Schulter geschaut.

Serie: Theater-Menschen: Der Mann für jeden Ton
Foto: Laki

Düsseldorf. Ohne ihn gebe es am Jungen Schauspiel an der Münsterstraße keine Musik, keine Soundeffekte, keine ambiente Stimmung, aus Klang gewoben. Denn Marco Schretter ist Tontechniker und verantwortlich für alles, was mit Ton und Klang am Jungen Schauspiel zu tun hat. Aber auch Video-Technik, die im Theater immer wichtiger wird ist sein Metier. Doch damit Schauspielkunst und ihn umrahmender Klang sich zu einem großen Ganzen fügen können, braucht es viel Vorbereitung, einen aufmerksamen Mann hinter dem Mischpult.

So auch bei dem Jugendstück „Die größte Gemeinheit der Welt“, bei dem Soundeffekte zudem eine ganz wichtige und zentrale Rolle spielen. „Bei dem Stück habe ich ziemlich viel Spaß“, sagt Schretter. Wieso just dieses Stück ihn so viel Freude bereitet, das wollten auch wir herausfinden. Eine gute Gelegenheit also, ihm, vor und während der Vorstellung im wahrsten Sinne des Wortes über die Schulter zu schauen — hier trifft nämlich der etwas abgenutzte Spruch in der Tat auf den Punkt genau. Doch bevor es hinauf zum Mischpult hinter der letzte Reihe des Zuschauerraumes gehen kann, gibt es einiges Anderes zu tun.

Im Foyer des Jungen Schauspiels spielt leise Hintergrundmusik. Als erstes kontrolliert Schretter die Titelliste an der Soundanlage, so dass das junge Publikum, dass alsbald das Haus bevölkern wird, mit passenden Klängen auf die Aufführung eingestimmt werden kann. Auch diese kleinen Handgriffe gehören zu seinem Alltag, erklärt er. Genauso wie immer wieder auch der Gang in sein Büro, wo organisatorisches auf ihn wartet.

Auch wenn Schretter natürlich in erster Linie dafür zuständig ist, dass die Klänge während der Vorstellungen exakt so wirken wie mit dem Regieteams abgesprochen, hat seine Arbeit auch andere Aspekte. Denn der gebürtige Österreicher kennt die Gerätschaften und wie sie funktionieren ganz genau, kann sie also nicht nur bedienen, sondern weiß auch wie sie aufgebaut und programmiert sind. “Ich habe Elektrotechnik-Toningenieur in Graz studiert. Das ist eine Fachrichtung, die man in Europa so spezifisch nur an zwei Unis antrifft”, erläutert er und betont, dass es bei diesem Studium neben der musikalischen feingeistigen Seite auch um das rein Technische ging. “Ich habe Theater und Tanz immer schon geliebt. Ich bin trotzdem noch ganz nah an dem Ingenieurwesen dran, da ich auch noch viele Sachen selbst programmiere,” erzählt er. Er könne viele technische Lösungen für das Junge Schauspiel selbst mit eigener Hand bewerkstelligen.

“Mein Professor hat irgendwann einmal gesagt: Toningenieure werden zu achtzig Prozent die Leute, die die Geräte entwickeln und programmieren und nicht die da wirklich da stehen und Sound machen,” ergänzt er und berichtet über seine Studienzeit. “Ich habe während meines Studium viel mit klassischer Musik und Jazz zu tun gehabt. Weil das in Graz sehr geprägt wird,” sagt er indes. So fühlt er sich in beiden Welten zu Hause. Der schöngeistigen und der technischen. Auch andere Projekte, bei denen es um die Umsetzung von Kunst in Technik geht macht Schretter gerne: “Ich baue auch Klanginstallationen für Museen.”

Alsbald nähert sich aber der Anfang der Vorstellung und die Vorbereitungen am Mischpult müssen getroffen werden. Doch bei diesem Stück gibt es eine Besonderheit. Denn im Gegensatz zu anderen Aufführungen, wo die vorproduzierten Sounds und Musiken sozusagen Schritt um Schritt vom Mischpult aus auf Knopfdruck an bestimmten Stellen eingespielt werden müssen, muss er bei „Die größte Gemeinheit der Welt“ exakt und direkt auf die Bewegungen und Aktionen der Schauspieler reagieren. Hier reicht es nicht, bei einem bestimmten Wort den richtigen Soundtrack abzuspielen, ein- oder auszublenden. Hier muss der passende Klang immer wieder live auf den jeweiligen Moment auf der Bühne synchronisiert werden. Ähnlich wie in Trickfilmen, was ja auch thematisch zu der Superheldenwelt des Stückes passt. Hierzu verwendet Schretter ein „Launchpad“. Ein Gerät mit beleuchtbaren rechteckigen Knöpfen, ein wenig angeordnet wie ein Schachbrett, wobei jedem Knopf ein Klang zugeordnet ist. Je nach Szene wechseln die Klänge, leuchten die Tasten in anderen Farben, um zu signalisieren welche Sounds sich hinter ihnen verbergen. Schretters Klangkommentar wird nahezu Teil der Handlung. Das ist ganz schön anstrengend und erfordert viel Konzentration. Mit Adleraugen schaut er während der Vorstellung auf die Schauspieler und drückt mal den mal jenen Knopf, je nachdem was gerade auf der Bühne passiert. Das alles teilweise in atemberaubendem Tempo. Mal ist es ein Donnern, mal ein Wischen, oder Zischen, mal schwere Schritte und dergleichen.

Doch das macht auch sichtlich viel Spaß, denn es geht auf der Bühne hoch her und Schretter darf richtig auftrumpfen. Zudem erklärt er, es seien bestimmte Lichteffekte mit den Sounds gekoppelt — früher wäre so etwas kaum realisierbar gewesen. Die heutige digitale Technik mache vieles möglich; es gibt eigentlich kaum etwas, was nicht machbar sei. Doch kann die Technik nicht bei allem helfen. Vor jeder Aufführung geht Schretter die Schritte auf der Bühne durch, um sich noch mal vergegenwärtigen zu können, welchen Sound er wann abzuspielen hat.

In der Pause verrät er uns noch, wie er dazu gekommen sei, Tontechniker werden zu wollen. “Ich wollte eigentlich erst relativ lange etwas mit Sport machen, weil ich zweite Liga Basketball und in einer relativ hohen Liga Tennis gespielt habe. Mein ganze Familie ist Tennisafin. Mein Cousin ist Tennisprofi,“ erzählt er. Doch dann habe er irgendwann angefangen, in Bands zu spielen und sich für die Technik zu interessieren. So stand er immer wieder am Mischpult und das lag ihm. So wurde es doch Klang statt Sport. Wie es ihm hier in Düsseldorf gefalle? “Es gefällt mir sehr in Düsseldorf,“ sagt er noch am Ende des Tages und verrät uns noch: „Ich wohne auch in einer super Ecke; ich kann mit dem Fahrrad alles wunderbar erreichen, da die Stadt ja nicht so irrsinnig groß ist. Düsseldorf ist das deutsche Spiegelbild von Graz.“

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