Supermarkt als Horrorkabinett

In zwei Erlebnisräumen können Besucher erfahren, wie es sich anfühlt, an einer Psychose oder Depression zu leiden.

Düsseldorf. Dieser Supermarkt ist das Grauen: Im Apfelmus schwimmen Gegenstände, ständig verschwinden Dinge aus dem Einkaufswagen, die Verkäuferinnen rücken den Kunden auf die Pelle, man hört Stimmen, die Sätze sagen wie: "Hörst du die Sirenen? Sie kommen, um dich zu holen."

Dass sich außerdem die Mehlpackung anfühlt, als befinde sich im Innern kleine Holzstücke, macht den Einkauf zum hoffnungslosen Unterfangen: Hier kann man sich auf gar nichts mehr verlassen - und genau dieses Gefühl soll auch vermittelt werden. Und damit das Gefühl eines an Schizophrenie Erkrankten.

Der kleine künstliche Supermarkt ist bis Samstag im Weiterbildungszentrum hinter dem Hauptbahnhof aufgebaut, dazu ein weiterer so genannter Erlebnisraum zum Thema Depression. Beide sind erst vor kurzem von Experten der Caritas entwickelt worden und gehören zur Aktionswoche zum Thema Depression und Schizophrenie "Grenzen erleben".

Gesundheitsamt und viele weitere Träger haben sie organisiert. Das Ziel formulierte Michael Schäfer, der stellvertretende Leiter des Düsseldorfer Gesundheitsamtes, gestern zur Eröffnung: "Patienten mit diesen Erkrankungen sind einer starken Stigmatisierung ausgesetzt."

Deshalb sollen nun viele Menschen Informationen über die Krankheiten erhalten und dadurch Vorurteile abgebaut werden. Denn auf der einen Seite sind psychische Störungen sehr weit verbreitet. Nach Schätzungen des Amtes erkranken pro Jahr in Düsseldorf rund 47000Männer und 71000 Frauen. Am häufigsten sind dabei Angststörungen, gefolgt von affektiven Störungen, zu denen etwa die Depression zählt. Rund 60 Menschen in der Stadt würden sich das Leben nehmen.

Auf der anderen Seite gibt es gegenüber den Betroffenen ein hohes Maß an Misstrauen und Berührungsängsten, wie Prof. Wolfgang Gaebel, ärztlicher Direktor des LVR-Klinikums darstellte. Eine Befragung in Düsseldorf habe etwa gezeigt, dass Menschen Vorbehalte dagegen haben, dass in ihrer Nähe eine Tagesklinik für psychisch Kranke eingerichtet werde. "Die Stigmatisierung macht nicht nur die Krankheit schwer, sondern erschwert auch die Behandlung." Viele Betroffene suchen deshalb erst gar nicht nach ärztlicher Hilfe oder misstrauen Medikamenten.

Viel Aufklärung soll bis Samstag dieser negativen Dynamik entgegenwirken. Und die Selbsterfahrung in den Erlebnisräumen. In der kleinen, düsteren Depressionskammer wird man am Ende aufgefordert, ein schönes Erlebnis aus den letzten Tagen auf einen Zettel zu schreiben. Vielen ist in diesem Moment kein einziges Beispiel eingefallen.

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