Sugarbird Cupcakes: Tausche Büro gegen Backstube

Von Träumen, Törtchen und viel Wagemut: Das Leben der Sprachwissenschaftlerin Annette Rosa Marques änderte sich schlagartig, als sie in einem Londoner Café in ein Schokoladen-Cupcake biss. Eine Liebesgeschichte.

Sugarbird Cupcakes: Tausche Büro gegen Backstube
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Die Liebesgeschichte beginnt vor einem Londoner Schaufenster. Annette Rosa Marques schlendert an einem ganz normalen Wochentag durch die Straßen. Sie ist glücklich. Sie hat Zeit. Sie fühlt sich frei und beschwingt, kann durchatmen. Gerade hat sie diese kleine Stelle bei Costa Coffee angetreten. Dass das Gefühl an der Kaffeemaschine sie, die promovierte Sprachwissenschaftlerin, glücklich macht, irritiert sie damals noch. Dass es ihr Spaß macht, für andere Menschen leckere Bagels zu schmieren und sie damit zumindest ein bisschen glücklich zu machen, ist noch ungewohnt.

Und doch spürt sie schon jetzt, dass das Leben wohl mehr für sie bereithält, als sie sich vorstellen kann. Mehr als die schnelle Taktung der Agenturen ohne durchzuatmen, mehr als das Verfassen von Geschäftsberichten und Pressemitteilungen. Heute ist sie die Besitzerin von drei „Sugarbird Cupcakes“-Cafés und einer Konditorei. Aber zurück zu jenem Laden in London.

Er heißt „The Hummingbird Bakery“. Ein Setzkasten im Schaufenster zieht sie in Bann. Kleine bunte Törtchen mit zierlichen Häubchen warten in ihren Fächern darauf, verkostet zu werden. Jedes von ihnen steht in einem eigenen Fach. Im Geschäft entscheidet sie sich für einen Klassiker. Es ist der Chocolate-Cupcake. Annette Rosa Marques erinnert sich noch ganz genau an den ersten Biss. Sie schließt die Augen, wenn sie daran denkt. Im Mund vermischt sich der saftige Schokoladenteig mit dem cremigen Topping. Es ist das köstlichste Törtchen, das sie bis dahin jemals gegessen hat.

Als sie an diesem Abend nach Hause kommt und im Bett liegt, denkt sie noch daran. Diese Nacht bildet den Auftakt zu einer Reihe von Nachfolgerinnen, in denen sie Törtchenträume träumt. Was für andere Schafe, sind für Annette Rosa Marques Cupcakes.

Jetzt weiß sie, dass das Leben mehr für sie bereithält. Ihr Studium und ihre Jobs haben sie nie wirklich erfüllt. Agenturen, Radio, Redaktionen, Zeitungen: Gemacht hatte sie alles und doch war sie nie wirklich zufrieden. Das Leben ist so kurz, wird ihr bewusst. Will sie bis zum Ende Dinge tun, die sie nicht glücklich machen? Will sie nicht. Sie will Cupcakes.

Zurück in Deutschland beginnt Annette Rosa Marques das Backen. Diese Geschichte würde sich jetzt wie ein Märchen lesen, wenn sie schon gebacken hätte, seitdem sie Kind ist und mit feuerroten Wangen vor dem Ofen gestanden hätte. Die Realität sieht aber anders aus. Sie hat sich an Marmor- und Käsekuchen versucht, viel gebacken hat sie bis dato aber nie. „Sonst wäre ich ja direkt Konditorin geworden“, sagt Marques, lacht und zuckt mit den Schultern.

Das muss sich ändern. Nacht für Nacht backt sie in ihrer Küche Cupcakes in jeder Variation, tüftelt an neuen Toppings, perfektioniert die Form des Swirls. Als sie für ihre Freundin über 100 Erdbeer-Mascarpone-Törtchen backt („Es war ein Drama, ich hatte mich völlig mit der Zeit verkalkuliert, aber es hat geklappt“), beginnen die ersten Bestellungen einzutrudeln. Ihr ist eine Sache schnell klar: Die Nummer mit den Törtchen läuft nur mit einer Küche. Marques schreibt Businesspläne, backt weiter, versucht dabei, ihre entsetzten Eltern zu beruhigen und bekommt ein Existenzgründer-Darlehen. Sie findet einen geeigneten Raum an der Rethelstraße im Zooviertel für die erste Filiale von "Sugarbird Cupcakes". Mittlerweile hat sie zwar von Cupcakes Ahnung, aber nicht von Bürokratie. Sie ist keine Konditormeisterin, hat keine Nachweise, ihre Küche entspricht noch nicht den Hygiene-Anforderungen. Und doch lässt sie sich nicht verunsichern und gibt nicht auf.

„Entweder ganz oder gar nicht. So ist das bei mir“, sagt sie und sieht dabei energisch aus. Es klappt, sie erhält von den Behörden eine Ausnahmegenehmigung. Morgens um vier Uhr backt sie Cupcakes, um zehn Uhr öffnet sie den Laden, nachts macht sie die Buchhaltung. Das war 2009.

Mittlerweile hat Annette Rosa Marques noch ein Café in der Altstadt und in Dormagen. Eine 200 Quadratmetergroße Backstube in Garath, in der mehrere Konditoren arbeiten, beliefern die Cafés. Jeden Tag fährt sie in ihre Läden, kümmert sich um die Abläufe. Auf den Karten stehen nun nicht mehr ausschließlich Törtchen, sondern auch Salate, Frühstück und Snacks. Zum Selberbacken kommt sie nicht mehr oft, denn sie ist nun zweifache Mutter.

Hätte sie geahnt, dass einmal ein Cupcake alles für sie verändern würde, sie hätte es wohl nicht geglaubt. Aber das Leben schreibt bekanntlich die schönsten Geschichten.

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