Düsseldorf Studienkredit: Erst Studium, dann Schulden

Immer weniger junge Menschen profitieren von Bafög oder nehmen Studienkredite auf. Eine Studentin entschied sich fürs Darlehen. Und am Ende hatte sie 16.000 Euro Schulden.

Düsseldorf: Studienkredit: Erst Studium, dann Schulden
Foto: Uwe Zucchi

Düsseldorf. Als Kathrin (29) im vergangenen Sommer ihr Kulturwissenschaftsstudium beendet, hat sie 16 000 Euro Schulden bei der Sparkasse. „Ich sah die Zahl so schwarz auf weiß und habe ziemliche Bauchschmerzen bekommen. Ich hab ja vorher nie Schulden gehabt.“ Um sich ihr Studium zu finanzieren, hatte die Düsseldorferin einen Studienkredit aufgenommen. „350 Euro bekam ich monatlich ausgezahlt und bin nebenbei immer jobben gegangen. So hatte ich im Monat etwa 1000 Euro zum Leben.“

Düsseldorf: Studienkredit: Erst Studium, dann Schulden
Foto: MZ

Anders als Kathrin, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, nehmen immer mehr Studierende Abstand von einem Darlehen, wie Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zeigen: Rund 53 000 Studienkredite wurden 2015 neu beantragt, mehr als zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Nur ein Bruchteil der knapp 2,8 Millionen Studierenden entscheidet sich noch dafür, ein Darlehen aufzunehmen.

„Es gibt in Deutschland eine Mentalität, sich möglichst wenig zu verschulden“, sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Das sei auch schon früher bei der Einführung der Studiengebühren so gewesen. „Wer sich die nicht leisten konnte, hat eher gejobbt als einen Kredit aufzunehmen.“ Die Folge: Immer mehr private Anbieter bieten keine Studienkredite mehr an — das große Geschäft ist damit nicht zu machen.

Kathrin ist hingegen froh, den Kredit aufgenommen zu haben. Ab Oktober muss sie die 16 000 Euro zurückzahlen, zehn Jahre Zeit hat sie dafür. „Einen Teil konnte ich bereits überweisen. Aber ich hatte auch Glück, dass ich sofort einen Job gefunden habe. Andernfalls wäre das nicht so einfach geworden.“ Gearbeitet hat sie trotz Kredit auch während des Studiums 20 Stunden pro Woche. „Dadurch habe ich drei Semester länger gebraucht. Hätte ich Bafög bekommen, wäre der Druck viel größer gewesen, in der Regelstudienzeit fertig zu werden.“

Da ihre Eltern zu viel verdienen, hat Kathrin erst gar keinen Bafög-Antrag gestellt. Auch bundesweit sinkt der Anteil derjenigen, die von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) profitieren. Zur Einführung 1972 wurde fast die Hälfte der Studierenden gefördert, 2015 waren es nur noch 15,1 Prozent. Nachbesserungsbedarf sieht daher Charlotte Ballke, Vorsitzende des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses der Düsseldorfer Heine-Universität. „Die letzte Reform hat einiges gebracht.

Die Bezüge sind gestiegen, aber der Bedarf wurde nicht an die Inflation angepasst.“ Sagt auch die Statistik. Zudem wünscht sich die Asta-Vorsitzende ein elternunabhängiges Bafög. „Ich kenne aus meinem Umfeld Beispiele von Eltern, die gut verdienen und ihre Kinder dann zu bestimmten Studiengängen zwingen. Nach dem Motto: Entweder, du studierst das, oder wir unterstützten dich nicht“. Dass Studierende ihre Eltern auf Unterhaltszahlungen verklagen, sei auch keine Seltenheit. „Wer ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern hat, sieht meist keinen anderen Ausweg.“

Noch ein Nachteil: Wer Bafög bezieht, ist in der Gestaltung seines Studiums eingeschränkt, meint Biologiestudent Julian (26): „Man hat ja immer den Druck, in der Regelstudienzeit fertig zu werden.“ Das war auch sein Plan - aber private Probleme sorgten dafür, dass er sich in letzter Zeit nicht ausreichend aufs Studium konzentrieren konnte. „Dann bist du aber gezwungen, Klausuren mitzuschreiben, obwohl du weißt, dass das nix wird. Weil du ja nachweisen musst, dass du vorankommst.“

Auch Charlotte Ballke sieht diese Regelung kritisch. „Mir ist bewusst, dass man Grenzen setzen muss. Aber das jetzige System ist zu strikt. Das führt nur dazu, dass man gezwungen ist, mit Scheuklappen zu studieren.“ Wer auch über die Regelstudienzeit hinaus Bafög bekommen will, muss einen schriftlichen Antrag einreichen und einen gesetzlich anerkannten Grund vorliegen, zum Beispiel Krankheit oder Schwangerschaft. Wer den Studiengang wechseln und weiter gefördert werden will, muss dies ebenfalls schriftlich begründen. „Die meisten Anträge werden aber abgelehnt“, sagt die Asta-Vorsitzende. „Dann ist man in seinem Studienfach gefangen.“

Amadeus Pajonk engagiert sich als Sozialreferent für den Asta und berät seine Kommilitonen in Sachen Studienfinanzierung. „Der Zulauf ist aber gering. Weil das meist nicht richtig kommuniziert wird.“ Daher würden viele auch nicht alle Möglichkeiten ausnutzen, um an Geld zu kommen. „Wer zum Beispiel ein Jahr ins Ausland geht, kann sich für diesen Zeitraum sein Semesterticket rückerstatten lassen.“ Momentan sind das an der Uni Düsseldorf knapp 190 Euro pro Semester. „Davon Gebrauch machen aber die wenigsten.“

Sozial bedürftige Studierende können sich die Kosten für das Semesterticket ebenfalls erstatten lassen - doch auch hier ist die Resonanz verhalten. „Voraussetzung ist, dass man seine monatlichen Einnahmen und Ausgaben der letzten drei Monate angibt. Das ist wohl vielen unangenehm“, vermutet Amadeus Pajonk. Hoch frequentiert sei immerhin die kostenlose Anwalts- und Steuerberatung. „Gerade jetzt, wo die Einkommenssteuer fällig wird, wird das sehr stark nachgefragt.“

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