Stinkpulver für Thilo Sarrazin

Unter Polizeischutz stellte der SPD-Politiker Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ in Düsseldorf vor.

Düsseldorf. Aufgeheizte Stimmung am Montagabend auf der Königsallee: 50 Polizisten bewachen die Umgebung der Mayerschen Buchhandlung an der Ecke Schadowstraße. Jugendliche von der "Antifaschistischen Aktion" skandieren Parolen wie "Nie wieder Deutschland", die Linkspartei verteilt Flugblätter.

Eine lange Schlange steht vor der Buchhandlung und wartet auf Einlass zu einer Lesung. Der Grund: Thilo Sarrazin, ehemals Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand stellt sein Buch vor: "Deutschland schafft sich ab".

Zwischen die 230 wartenden Besucher mischen sich Passanten, es kommt zu spontanen und emotionalen Diskussionen. Mitten drin ist Ramin Sahraei. Er redet gleich auf drei Besucher ein. Das Thema ist klar. Es geht um Integration. Worte wie "Parallelgesellschaft" und "Frauenunterdrückung" fallen.

Der gebürtige Iraner lebt seit 20 Jahren in Deutschland, will an der Heine-Uni Medizin studieren. Die Sarrazin-Debatte hält er für problematisch: "Ein Zusammenleben hier in Deutschland ist möglich, aber diese ganze Diskussion erschwert alles", sagt der 26-Jährige.

Der Beginn der Buchvorstellung verzögert sich. Weil Sarrazin seit der Veröffentlichung bedroht wird, sind die Sicherheitskontrollen am Eingang streng. Alle Taschen werden durchsucht, Flaschen und spitze Gegenstände müssen abgegeben werden. Unbekannte haben im Vorfeld der Lesung Knoblauchpulver in der Buchhandlung verstreut, deshalb werden die Räume nochmal auf mögliche Gefahren durchsucht. Mit zehnminütiger Verspätung betritt Sarrazin das Podium.

Die Proteste vor der Tür scheinen ihn nicht zu stören: "Ich geh immer durch die Vordertür. Die haben mein Buch sowieso nicht gelesen." Kaum hat er seinen Vortrag begonnen, gibt es die erste Unterbrechung wegen einer weiteren Protestaktion. Ein zwischen Büchern versteckter Wecker klingelt. Die Zuhörer und das Sicherheitspersonal werden nervös, weitere drei Wecker werden im Laufe des Abends noch gefunden.

Gegenwind bekommt Sarrazin während der Lesung dann kaum noch zu spüren. Er hat das überwiegend ältere Publikum auf seiner Seite. Zwischenrufe gibt es fast gar nicht, dafür oft Applaus.

Als nach der Lesung von einzelnen Besuchern Kritik geäußert wird, zeigt die Mehrheit der Anwesenden durch Lachen ihren Unmut. "Ich finde es schrecklich, wie man sich auf ihn gestürzt hat, deshalb bin ich hier", sagt die 63-Jährige Ursula Henneberg. Wie viele andere hat sie sich das Buch von Sarrazin signieren lassen.

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