Steingewordene Geschichte — das Girardet-Haus

Von der Kö aus wurde die Stadt viele Jahre mit den neuesten Düsseldorfer Nachrichten versorgt. Als die Druckmaschinen verlegt wurden, folgte exklusiver Einzelhandel.

Düsseldorf. Wenn Steine reden könnten, dann hätte das Girardet-Haus viel zu erzählen. Es könnte berichten von der Geschichte der Düsseldorfer Presse, von den Bombennächten im Zweiten Weltkrieg, von der Entwicklung des Einzelhandels an der Kö oder von der Historie der Prachtstraße. Immerhin hat das Gebäude inzwischen mehr als 100 Jahre auf dem Buckel.

Als 1906 der Bau begonnen wurde, sah die Westseite der Königsallee noch ganz anders aus als heute. Auf dem Abschnitt von der Benrather Straße bis zum Graf-Adolf-Platz hatte sich bis zur Jahrhundertwende die alte Kaserne befunden. Nach Verlegung der Garnison in neue Gebäude an Roß- und Tannenstraße in Derendorf wurde das Areal zur Bebauung freigegeben. Es entstanden dort Großbauten etwa für Banken, das Hohenzollern-Gymnasium (heute „Görres“) oder die Oberpostdirektion.

Das von Architekt Hermann vom Endt entworfene Girardet-Haus reihte sich in Größe und Stil fast nahtlos ein: ein Monumentalbau, der Kraft und Macht der Presse in eine steinerne Form übersetzte.

Wie groß die (Anziehungs-)Kraft der Presse in jenen Jahren sprichwörtlich war, zeigt wohl kein Bild so gut, wie jenes vom August 1914 — am Vorabend des Ersten Weltkrieges: In Erwartung der Kriegserklärung versammelten sich hunderte Düsseldorfer vor dem Verlagshaus. Damals war der Düsseldorfer General-Anzeiger (der 1918 in Düsseldorfer Nachrichten umbenannt wurde) die führende Zeitung der Stadt. Mit einer Auflage von zeitweise mehr als 100 000 Exemplaren war er die Hauptinformationsquelle der Düsseldorfer. Alternativen gab es kaum, auch das Radio steckte noch in den Kinderschuhen.

Als es nach dem verlorenen Krieg Mitte der 20er-Jahre zu einer wirtschaftlichen Erholung kam, wurde das Girardet-Haus erstmals umgebaut — es wurde nach Süden erweitert und aufgestockt. Wichtigste Neuerung: Zur Königsallee wurden die Arkaden angelegt, sie sind bis heute ein Markenzeichen des Gebäudes.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus Zeuge und Opfer eines Bombenkrieges, den Deutschland in die Welt getragen hatte und der nun mit voller Wucht zurückkam. Die Kö wurde erstmals bei einem Großangriff am 1. August 1942 getroffen. In den folgenden zweieinhalb Jahren versanken weite Teile der Prachtallee in Schutt und Asche. Auch das Girardet-Haus wurde schwer beschädigt, aber im Gegensatz zu den vielen Ruinen, die nur noch abgetragen werden konnten, reichte hier die Substanz für einen Wiederaufbau. So hat der Bau bis ins vierte Obergeschoss seinen historischen Charme bewahrt — bedeckt von einem Staffelgeschoss aus der Nachkriegszeit.

Was sich viele jüngere Düsseldorfer kaum noch vorstellen konnten: Bis in die 70er-Jahre hinein wurden an der Kö Zeitungen gedruckt. Im Innenhof des Girardet-Hauses ratterten die Druckmaschinen fast jede Nacht — wie seit mehr als 60 Jahren. Doch war eine solche industrielle Produktion ausgerechnet an der Nobelmeile zu diesem Zeitpunkt längst anachronistisch.

Denn mit dem Wirtschaftswunder begann auch der Aufstieg der Kö zur exklusiven Shoppingallee, an der fast alle internationalen Labels vertreten waren und sind. Früher galt das vorrangig für die Ostseite der Kö, seit einigen Jahren steht auch die westliche Seite immer mehr im Fokus. Allein seit 2010 siedelten sich hier Marken wie Abercrombie, Nespresso oder Versace an.

Das Girardet-Haus war Vorreiter dieser Entwicklung: Nachdem der Girardet-Verlag den Druck seiner Zeitungen an anderem Standort konzentrierte, war der Weg frei für einen grundlegenden Umbau. 1980 eröffnete dort, wo jahrzehntelang die Düsseldorfer Nachrichten gedruckt worden waren, eine moderne Ladenpassage — mit einem Durchgang von der Kö zur Trinkausstraße.

Viele Läden und Dienstleister machten dort gute Geschäfte. Einer der bekanntesten Namen, heute noch vielen Düsseldorfern im Gedächtnis, ist das legendäre N.T., der Nachrichten-Treff — eine Kombi aus Café, Bar und Restaurant. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Ladenlokal von Hermès.

Vieles könnte das Girardet-Haus, das bis heute auch Verlags-Standort der WZ geblieben ist, noch erzählen. Etwa von den legendären Zeiten im Sam’s: Der Club im Untergeschoss machte vor allem in den 80er-Jahren Schlagzeilen. Die Promis reichten sich die Klinke in die Hand: Andy Warhol, Boris Becker, Grace Jones und viele andere sollen zu Gast gewesen sein. Es heißt, der Schampus floss in Strömen, es wurde auf den Tischen getanzt. Sicher gäbe es viele pikante Details aus dem Nachtleben der Promis zu berichten — wenn Steine bloß reden könnten.

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