Stadtmitte: Der Meister der Schuhmacher

Stefan Leben ist mit 86 Jahren noch Schuster. Samstag öffnet er seine Werkstatt: Sie ist zugleich Relikt und Heim eines Künstlers.

Düsseldorf. Fragt man Stefan Leben, wie lange er noch vorhat zu arbeiten, dann hebt er seine von der Arbeit geschundenen Hände, wirft einen Blick darauf und dann in die Augen seines Gegenüber und sagt: "So lange die noch mitmachen".

Sein Laden ist auf 120 Quadrametern ein düsteres Panoptikum aus Maschinen, die teilweise 50 Jahre alt sind, unzähligen Leisten, die an den hohen Wänden hängen, ein Durcheinander von Dutzenden verbogener Körbchen und Metallschränke, in denen sich tausende von Schrauben, Schnallen, Lederresten und Gürteln befinden und selbst gemischte Farben. Stefan Leben hat eine Frau und sechs Kinder. Aber sein ganzes Leben scheint sich in diesem Reich abzuspielen.

Die Schuhmacherei ist eine von zwei in Düsseldorf, die noch Maßschuhe anfertigt - die andere betreibt ein früherer Lehrling von ihm. Gerade hat er für eine Frau ein Paar Stiefel aus Straußenleder gefertigt; Preis: um die 700 Euro. Aber auch lederne Hundeschuhe hat Leben schon gefertigt und einen rosafarbenen Maulkorb für ein Frettchen.

Fehlt bei einem Reißverschluss ein Zahn oder der Reiter, hört man heute normalerweise: Da muss ein neuer rein. Stefan Leben repariert ihn. Aber er macht auch aus einer abgestumpften Schuhspitze eine runde, die wie neu aussieht, stopft Löcher mit einer eigens angerührten Mischung aus Kleber und Lederabfällen und färbt Schuhe mit selbst angerührten Farbmischungen. Man möchte ihn einen Künstler nennen. Oder einen Dinosaurier.

Seine Familie kam in den 50er Jahren aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland. Als er seinen Laden in der Kölner Straße eröffnete, war die Konkurrenz groß, zu der Zeit war es noch normal, sich Schuhe anfertigen zu lassen und viele Jahre zu tragen.

In Fotoalben und Mappen hat der Schuster Erinnerungen gesammelt: Grußkarten von prominenten Kunden, alte Zeitungsartikel aus den 60er Jahren. Auch beim WDR-Fernsehen war Leben mal als Experte seiner Zunft. Irgendwo liegt eine jugoslawische Zeitschrift aus dem Jahre 1954, in der zwei von ihm kreierte Schuhmodelle abgebildet sind.

Heute tragen viele Kunstleder, das nicht lange hält und dann weggeworfen wird. Ginge es nach Stefan Leben, würde das Material offiziell verboten: "Furchtbar!", wettert er und zieht an einer Filterlosen. Einen Akzent hat er bis heute, der klingt aber eher ostpreußisch als serbokroatisch.

Wirklich am Herzen liege es ihm, einen Nachfolger zu finden für seinen Laden, sagt Leben mit nachdenklichem Blick. Was aber heute nicht mehr einfach ist. Aber vielleicht hat es damit auch noch ein bisschen Zeit: "Um alles zu machen, was ich noch vorhabe, müsste ich noch 200 Jahre leben."

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