Stadt-Teilchen Die Karawane zieht weiter ihre Kreise

Stadt-Teilchen Die Karawane zieht weiter ihre Kreise

Die Karawane zieht weiter, zieht große Kreise durch die Kommunalpolitik. Durch Düsseldorfer Köpfe. Die Rede ist vom Werbe-Tross, der den Grand Départ der Tour de France anführte. Vorbildlich? Warum nicht? Fragte sich das Comitee Düsseldorfer Carneval. Das hohe C des Düsseldorfer Brauchtums verspricht sich davon mehr, viel mehr als olle Kamellen als Wurfmaterial beim Rosenmontagszug.

Karawane im Wortsinne von vorzüglicher Werbung. Die Nächsten werden dann im Sommer wohl die Schützenvereine sein, die sich über derartige Zwischen-, bzw. Gegenfinanzierungen ihrer Aufmärsche Gedanken machen. Oder besser nicht. Die Meinungen über diese Tour der modernen Bettelei sind allerdings geteilt.

Tour? Geteilt? Bettelei? Da war doch noch was? Richtig! In ein paar Tagen ist es wieder so weit: St. Martin, der spätere Bischof von Tour, teilt seinen Mantel, den er mit einem Schwert halbiert hat, mit einem frierenden Bettler. Ihm zu Gedenken ziehen rund um den 11. November die Martinszüge durch unsere Stadt-Teilchen, erhellen die Kinder mit ihren Laternen und ihren Stimmchen die dunklen Wintertage in den Straßen nicht nur in Flingern, Oberbilk, der Innen- und Altstadt mit Treffpunkt Martinssäule vor dem Andreaskloster.

Der echte heilige Martin war nicht nur hilfsbereit, sondern auch äußerst bescheiden, war nicht wild auf Pöstchen, sondern versteckte sich, als es um seine Wahl zum Bischof ging. Laut schnatternde Gänse sollen ihn verraten haben. Das ist allerdings schon so um die anderthalb tausend Jahre her. Seitdem hat sich vieles verändert, auch und gerade im Brauchtum. Dabei ist nicht nur die Bescheidenheit auf der Strecke geblieben. Würde also kaum jemanden wundern, wenn Jemand auf die Idee käme, auch den Martinsumzügen eine Werbekarawane vorauszuschicken.

Bis es so weit kommen kann, wird in diesen Tagen dafür gesammelt, dass die Kinder am Ende — auch dies ein alter Brauch — eine Martinstüte mit allerlei Leckereien bekommen können. Ich bin zu meiner Schulzeit auch noch mit der Sammelbüchse losgezogen im Umkreis meiner Schule. Und auch meine Laterne war selbst gebastelt, mit leimverklebten Händchen, die dann später steif vor Kälte den Holzstab umklammerten, an dem meine Laterne baumelte („Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir“). Darin brannte eine echte Kerze: „Brenne auf mein Licht, brenne auf mein Licht, nur meine liebe Laterne nicht“.

Dem heiligen Martin sei Dank, dass mein Häuschen verschont blieb. Hinterher ging’s zum Gripschen. Mit einem Kopfkissenbezug für reiche Beute in der Nachbarschaft, in Läden und Kneipen. Die waren alle vorbereitet auf die singende Schar. Noch vor wenigen Jahren hatten in meinem Altstadt-Haus in der Andreasstraße die drei alten Schwestern, die dort seit ihrer Geburt wohnten, und die ich bei mir die „Golden Girls“ nannte, an diesem Tag immer eine rote Laterne über ihrer Wohnungstür hängen. Die Kinder sangen wie schon vor Jahrzehnten: „Hier wohnt ein reicher Mann, der uns vieles geben kann. Vieles soll er geben, lange soll er leben. Selig soll er sterben. Das Himmelreich erwerben.“

Und wer nichts gab, was selten vorkam, auf den hatten sie auch einen Reim: „Dat Hus, dat steht op eene Penn, de Gizzhals de sitzt medde drenn!“ Darauf ein dreifaches „Gizzhals!“. Das konnte und wollte sich kaum Jemand leisten. Wie viel einfacher wäre es dagegen heute, wenn die Finanzierung von Weckmännern von vornherein gesichert wäre in der Werbestadt Düsseldorf. Man stelle sich vor: Laternen in Häuschen-Form könnten gesponsert werden von örtlichen Immobilien-Unternehmen, deren Namen sich auch gut bildlich darstellen ließen: Engel und Völkers als Scherenschnitt. St. Martin (Rossmann?) könnte seinen Boss- oder Armani-Mantel mit einem für eine Lebens- oder Krankenversicherung bibbernden Bettler teilen. Unter seinem halben Mantel käme dann vielleicht ein Polo-Shirt von Ralph Lauren zum heiligen Vorschein.

Fürs Pferd fände sich sicherlich auch noch ein Spender. Überhaupt Pferdestärken: Gäbe es einen besseren Anlasser für Car-Sharing-Werbung als St. Martin?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort