St. Lambertus von innen: Im schiefen Turm von Düsseldorf

Über Holztreppen geht es in die Schatzkammer und zur Uhr in der Kirchturmspitze.

Düsseldorf. Der schiefe Turm von St. Lambertus ist ein Wahrzeichen der Landeshauptstadt. Im Herzen der Altstadt gelegen prägt die Mutterkiche Düsseldorfs seit 1394 das Stadtbild an der Rheinfront. Im Inneren beherbergt die Basilika eine Fülle von bedeutenden Kunstschätzen aus sieben Jahrhunderten. Eine Gruppe von 30 Interessierten hatte jetzt die seltene Möglichkeit den schiefen Turm bei einer Führung mit dem Kirchenhistoriker Ulrich Brzosa zu besteigen.

Über Wendeltreppen und Holzleitern, vorbei an Glocken, Altaren und Kruzifixen führt der steile Weg in die Turmkammer. Bei einer Höhe von 70 Metern nichts für Menschen mit Höhenangst. Schon in der oberhalb der Sakristei gelegenen Schatzkammer verschlägt es einem die Sprache. Hier sind hinter Glas goldene Kreuze, wertvolle Reliquien und andere liturgische Gegenstände aus mehreren Jahrhunderten ausgestellt.

Ein Kuriosum stellt der von flüssigem Blei verbrannte Zylinder von Josef Wimmer dar. Der Düsseldorfer Schlossermeister rettete den Turm mit einer Heldentat 1815 vor dem Einsturz. Als damals die Turmspitze nach einem Blitzschlag Feuer fing und ins Kirchenschiff zu stürzen drohte, bestieg er den Turm um die brennenden Balken aus dem Dachstuhl zu schlagen. „Wäre Wimmer nicht gewesen, gäbe es diesen Turm heute nicht“, sagt Brzosa. Die nicht weit von der Basilika entfernt gelegene Josef-Wimmer-Gasse zeugt von Wimmers Heldentum.

Als der Aufstieg in die Turmkammer beginnt, müssen einige Besucher schlucken. Das finale Stück auf einer steilen Holzleiter sind nichts für schwache Nerven. Brzosas Ansage träg nichts zur Beruhigung bei: „Der Aufstieg geschieht auf eigene Gefahr.“ Ein Raunen geht durch die Gruppe.

„An der ein oder anderen Stelle ist mir das Herz schon in die Hosen gerutscht“, gibt Annette Büttner zu. Doch diese Chance wollte sich die Historikerin unter keinen Umständen entgehen lassen. Und die Überwindung lohnt sich. Über den hölzernen Dachstuhl der Kirche, in dem im Sommer mehr als 40 Grad die Regel sind, geht es weiter in den Turm an der Westseite des Kirchenschiffes. Dort angekommen steigt man durch die Glockenkammer über eine hölzerne Leiter in die Turmkammer. Aus über 70 Metern Höhe eröffnen sich wunderbare Ausblicke über die Stadt.

„Die Orientierung ist gar nicht so einfach“, sagt Patricia Frütel. Die Düsseldorferin ist zum ersten Mal auf dem schiefen Turm von St. Lambertus. „Einfach atemberaubend.“ Und Brzosa schüttelt ein weiteres Ass aus dem Ärmel. Als der Kirchenhistoriker eine kleine Luke in der Mitte der Kammer aufschließt, eröffnet sich ein einmaliger Blick durch das Ziffernblatt der Kirchenuhr. Das es genau 17.30 Uhr ist und beide Zeiger der Uhr nach unten zeigten — also genau vor der Luke stehen — hat Brzosa abgepasst. Jürgen Meier war begeistert. „So etwas sieht man nun wirklich nicht alle Tage“, sagt er.

Zum Schluss löst Brzosa das Rätsel, warum der Turm eigentlich schief ist: Während die Menschen früher an Teufelswerk glaubten, war vielmehr das Feuer von 1815 die Ursache. Einige Teile des Turms verbrannten, beim Neuaufbau wurde die Form des Turms verändert. Die einfachen Dachschindeln wurden durch einen Bleischutz verstärkt und dadurch schwerer. Der Turm bekam eine sogenannte Marienkrone — Ausdruck der intensiven Marienverehrung in St. Lambertus. „Das höhere Gewicht der Krone drückte so stark auf die Balkenkonstruktion, dass sich der Turm mit der Zeit immer weiter nach Westen zum Rhein neigte und in sich drehte. Bis 1900 der Unterbau verstärkt wurde.“

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