Fortuna-Euphorie: Düsseldorf in Rot und Weiß

Die Stadt hat ihre Fortuna wiederentdeckt. Die Fans schwimmen derzeit auf einer Welle der Euphorie.

Düsseldorf. Die Älteren gehen „nach Fortuna“. Diese eigenwillige Formulierung ist wichtig, um das Umdenken der Düsseldorfer zu verstehen, auch wenn sie grammatikalisch Schmerzen bereitet. Die Jüngeren gehen „zur Fortuna“, und alleine dadurch wird die neue positive Haltung, eine Zugewandtheit gegenüber dem Fußballklub deutlich.

Eine rot-weiße Euphorie hat die Menschen in und um den Zweitligisten erfasst. Die Fortuna ist wieder „in“. Kinder tragen die Trikots mit Stolz in die Schule, Schals liegen auf Hutablagen in Autos, nicht nur an der Ratinger Straße in der Altstadt wird an Spieltagen die Fahne gehisst.

Das gab es seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Wer früher „nach Fortuna“ ging, der gewöhnte sich an das Leiden, an Schmähungen von Kollegen („Hör’ opp mit dä Verlierer-Verein“). Bittere Niederlagen und Abstiege, Durchmarsch von der dritten in die erste Liga, erneuter Absturz bis in die sportliche Bedeutungslosigkeit. „Andere sind Fahrstuhlteams zwischen erster und zweiter Liga, wir gönnen uns gleich das volle Programm bis in die vierte Liga, um dann wiederzukommen“, sagt Ralf Wihr.

Der 45-Jährige sah Anfang der 1970er Jahre sein erstes Spiel, fuhr als Zwölfjähriger mit im Bus zum Europapokalfinale der Pokalsieger 1979 in Basel. Sein Sportlehrer hatte das organisiert. Nach dem 3:4 der Fortuna nach Verlängerung gegen den FC Barcelona habe er „nur noch geflennt“, sagt Wihr. „Von dieser Niederlage hat sich der Verein nicht mehr erholt.“

Wihr ist danach mit dem „Vize-Europapokalsieger“ — so stand es wirklich im Briefkopf — durch das Tal gegangen, ebenso wie Andreas Hintz, der fast 600 Pflichtspiele der Fortuna in Folge gesehen hat. „Wir haben gelernt, die Momente zu genießen“, sagt der Vorsitzende des größten und ältesten Fan-Klubs mit dem treffenden Namen „Fortuna treu“. Der harte Kern der Fans sei geblieben, sagt Hintz, vor allem nach der WM 2006 seien etliche hinzugekommen. „Da hat Deutschland gezeigt, dass es feiern kann.“ Und das übertrug sich auf die Fortuna.

Auch Klaus Korella fühlt sich derzeit im siebten Fortuna-Himmel. „Der Klub erinnerte lange an eine schlechte Seifenoper — nur noch Intrigen und Mittelmaß. Jetzt wird seriös, nachhaltig, und mit Bodenhaftung geführt und damit kam der Erfolg.“

Der 48-Jährige jubelte schon in Kindertagen der Fortuna zu, hat sich vom Freibad aus als Elfjähriger mit seinen Kumpeln durch den Zaun zum Rheinstadion gequetscht und in Badehose unter der Anzeigetafel gestanden. In Gelsenkirchen war er dabei, als die Düsseldorfer im Pokalfinale die Kölner wegputzten. „Ich saß aber auch in Liga vier im Paul-Janes-Stadion und ließ mir durchs kaputte Tribünendach auf den Kopf regnen.“

Diese Zeiten sind zum Glück erst einmal vorbei. Bei Auswärtsspielen sind die Gaststätten mit Live-Übertragung brechend voll, zu den Heimspielen kommen im Schnitt 27 480 Fans.

Auch die komfortable Arena wird als Grund für den neuen Zuspruch genannt. Noch nie schien eine ganze Stadt so hinter der Fortuna zu stehen. Früher sei er mit einem Fortuna-Schal nicht in die Altstadtkneipen gelassen worden, erzählt Wihr.

Heute kommen Schulterklopfer und es wird gefragt, wie sie denn gespielt haben. „Es war eine lange Durststrecke — wie viele uns das jetzt gönnen, ist wirklich schön.“ Und manch Älterer hat sich vorgenommen, wieder mal „nach Fortuna“ zu gehen.

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