Stadt-Teilchen Der Düsseldorfer „Little Town Blues“ oder zwischen Baustellen und Jahreszeiten

So, nun ist er geschafft, der Übergang von der Winter- zur Sommerzeit. Eine Stunde morgens gestohlen, abends dafür länger hell. Die Stunde kann einem schon fehlen, selbst an einem Sonntag. Als ich noch Katzen hatte, hockten sie am Tag X zur gewohnten Zeit als stummer Vorwurf wie angepflockt vor ihren Fressnäpfen und verlangten pünktliche Bedienung.

Stadt-Teilchen: Der Düsseldorfer „Little Town Blues“ oder zwischen Baustellen und Jahreszeiten
Foto: DK

Sie eine Stunde später als sonst zu füttern, das funktionierte nie. Es dauerte immer eine knappe Woche, in der ich sie im Zehn-Minuten-Takt an die neue Zeitrechnung gewöhnte. Im Herbst dann das gleiche Spiel.

Wer erinnert sich noch an den wechselnden Saisonartikel namens Übergangsmantel? Der Wintermantel war zu dick, das sommerliche Gegenstück zu dünn, eine Strickjacke unangemessen. Da kam der Übergangsmantel ins Spiel. Meist ein Trenchcoat. Eine Erfindung aus den Schützengräben des Krieges.

Das Bekleidungsstück ist so strapazierfähig wie geschlechtsneutral. Berühmte Trench-Träger: Humphrey Bogart in „Casablanca“ und Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“. Erfunden wurde das praktische Teil von einem gewissen Thomas Burberry für die britische Armee. Der Name steht heute nicht nur für den Kult-Coat, er hält eine ganze Markenfamilie schön warm — siehe Filiale an der Kö —, nicht weit von der von Tiffany.

Doch nicht alle und alles sieht so gut aus wie der coole Rick in Casablanca oder die charmante Holly Golightly vor Tiffany im Staubmantel. Zum Beispiel die Modestadt Düsseldorf. Der stehen manche Übergangslösungen gar nicht. Gefühlt die halbe Stadt gleicht ja seit Jahren einem Schützengraben. Winter- und Sommerzeiten wechseln sich verlässlich ab, doch das Stadtbild bleibt eine Baustelle. Wir bräuchten auch einen Baumeister Burberry, der endlich mehr Schick in unsere Schützengräben bringt.

Fußgänger, einheimische und erst recht die fremden, fühlen sich auf ihnen gewidmeten, oft halsbrecherischen Übergängen wie in einem Flipperautomaten. Stadtteile werden zerschnitten oder einfach abgeschnitten. Die Folge: reihenweise Leerstände, selbst auf der Prachtmeile Kö, Schaufenster blicken mit toten Augen auf eine verödende Stadtlandschaft.

Beispiel Übergang von der Schadowstraße, die gerade wieder Atemübungen macht, zum Wehrhahn, der immer noch arg zerrupft ist, bis um die Ecke der Oststraße. Die Fassade, wo der TV-Shopping-Kanal QVC seine Reste verramscht, ist verhangen, dahinter Baulärm. Daneben scheint die Zeit stehen geblieben zu sein in einem winzigen Hotel mit Raffgardinen an den Fenstern, womöglich ist es durch Schmutz und Baulärm längst abgehangen von einem normalen Betrieb. Gegenüber der Teppichladen ist verschwunden, das Messingschild einer Detektei überklebt mit „Verzogen nach …“. Daran schließt sich ein riesiges Eckladenlokal an - leer.

Doch es tut sich was an der Einmündung Oststraße: Wo vorher ein Hardware-Handel war in diesem sich ohnehin zum Computer-Bedarfs-und Reparatur-Viertel mausernden Stadtteilchen im Dreieck Innenstadt-Japanviertel-Chinatown, prangt jetzt das Versprechen: „Istanbuls einzigartige Bäckereikunst bald hier.“ Hach, ich seh’ mich schon wie Audrey vor Tiffany vor dem neuen Laden stehen, statt eines Croissants in ein siruptriefendes, mit Pistazien gefülltes Baklava beißen. Persönlicher Übergang von der Fastenzeit ins süße Leben.

Und mitten im Chaos hat hier gerade einer der größten Sneaker-Stores Wiedereröffnung gefeiert: Afew. Einige wenige trauen sich also noch was (zu). Der fluoreszierende Fußboden bei Afew leuchtet im Dunkeln hoffnungsvoll ins düstere Viertel. Mehr davon!

Nicht nur an dieser Stelle hat Düsseldorf Übergangsprobleme. Rund um den Bilker Bahnhof sieht’s immer noch ziemlich wild aus. Doch auch dort sind erste ordentliche Linienführungen erkennbar. Während es in der Kasernenstraße immer noch bergab geht. Da wird in die Tiefe gebaggert und gebuddelt, Zugang zu den Ladengeschäften nur über einen Holzsteg.

Mit einer lobenswerten Ausnahme: Das Eis-Café Pia hat ihn bereits, den versprochenen breiten Bürgersteig. Wie ein Wunder breitete er sich plötzlich aus und verwandelt sich jetzt nach der Saisoneröffnung des beliebten Eis-Cafes mitten im Chaos in eine Art improvisierte italienische Piazza.

Jetzt warte ich nur noch darauf, dass ein besonders wichtiger Übergang in Angriff genommen wird: der Pavillon am Carschhaus zwischen der Kö und der Altstadt. An diesem besonderen Ort, der so schön sein könnte, jedoch seit Jahren zu einem fragwürdigen Szene-Treff verkommt, soll ein hübsches Pop-up-Café entstehen. Die genehmigten Pläne liegen auf dem Tisch. Das Outlet von Saks Fifth Avenue daneben ist schon mächtig im Umbau. „New York, New York. If I can make it there, I’m gonna make ist anywhere“, singt Frank Sinatra in seinem „little town Blues“. Warum nicht auch in Düsseldorf?

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