Wie aus grünen Pollern ein Bambuswald werden könnte

WZ-Autor Hans Hoff wundert sich in seiner Kolume Stadtteilchen über den bürokratisierten Sicherheitswahn und zu viele Geländer und Absperrungen.

Wie aus grünen Pollern ein Bambuswald werden könnte
Foto: David Young

Düsseldorf. Sie sind da. Und sie gehen nicht mehr weg. Wo wir sind, sind sie auch. Man entkommt ihnen nicht. Sie fallen nicht weiter auf, aber sie sind da. Sie scheinen zu ruhen. Aber wie lange noch? Droht bald der Tag, an dem sie sich erheben, an dem sie mehr beanspruchen als nur ihr einfaches Dasein im öffentlichen Raum?

WZ-Autor Hans Hoff würde sich als Denkmal sicher gut machen.

WZ-Autor Hans Hoff würde sich als Denkmal sicher gut machen.

Foto: B. Nanninga

Ja, das klingt rätselhaft, aber auf solche Gedanken kann man kommen, wenn man die grünen Gesellen erst einmal entdeckt hat. Die grünen Gesellen? Ja, die grünen Gesellen. Sie sind schlank, sie sind grün und eisern standfest. Wo immer die Ausbreitung des ruhenden Verkehrs beschränkt werden soll, stehen sie, die grünen Gesellen, also nicht überall. Eigentlich vornehmlich dort, wo sich Düsseldorf feiner dünkt. Dort, wo es profan zugeht, wohnen die grauen Gesellen, die der eher schmucklosen Art.

Hier aber soll es um die grünen Gesellen gehen. Die haben keinen richtigen Namen. Früher hätten wir Poller gesagt, aber das ist mit Sicherheit nicht der richtige Name. Der Begriff Absperrstäbe hört sich auch komisch an. Mit Sicherheit gibt es im Rathaus einen ordnungsgemäßen Namen für diese aufstrebenden Gesellen, die nie über die menschliche Hüfthöhe hinauswachsen. Mit Sicherheit.

Wie kreativ die im Rathaus sind, wenn es um das Benennen von Dingen geht, hat sich kürzlich erst wieder gezeigt, als es darum ging, dass die Geländer auf den Rheinbrücken erhöht werden müssen. Da hieß es nicht einfach, dass die Geländer erhöht werden müssten, damit auch Radfahrer sicher seien und so verschärften Regeln Genüge getan werde. Nein, das wäre für Rathausmenschen zu profan. „Ertüchtigungen an den Absturzsicherungen“ seien erforderlich, hieß es. Ja, da muss man erst einmal drauf kommen. Wenn ich demnächst mein Wohnzimmer streiche, werde ich nicht erzählen, dass ich mein Wohnzimmer streiche. Ich werde sagen, dass ich die Ertüchtigung meiner Binnenstruktur vornehme. Wie das klingt.

Abgesehen davon finde ich ja, dass eine Erhöhung der Rheinbrückengeländer um 30 Zentimeter zu kurz greift. Ich finde, man sollte, auch im Hinblick auf noch kommende Sicherheitsbestimmungen, darüber nachdenken, die Fußgängerwege ganz und gar einzufassen. Ich denke da an diese vergitterten Gänge, die früher im Zirkus üblich waren, wenn Löwen und Tiger in die Manege sollten.

So etwas sähe doch schick aus auf der Kniebrücke. Auch auf der Oberkasseler. Es hätte etwas durchaus Exotisches. Möglicherweise könnte man damit auch im Ausland punkten. Es kämen dann Menschen von überall her und würden die ertüchtigten Absturzsicherungen fotografieren. Dann säßen heimgekehrte Touristen in Tokio im Wohnzimmer und würden einander die Bilder zeigen. „Weißt du noch, die ertüchtigten Absturzsicherungen auf der Düsseldorfer Kniebrücke“, würde es heißen, und über die Gesichter der Anwesenden ginge ein seliges Lächeln.

Natürlich müssten die ertüchtigten Absturzsicherungen extra gesichert werden. Das sind wir unserer Vollkaskomentalität schuldig. Im Abstand von 50 Metern müssten Notausgänge Fluchtmöglichkeiten offerieren, und Telefone zum Herbeirufen von Rettungstrupps gehörten dort auch hin. Muss ja alles seine Ordnung haben, und man weiß ja nie, wann der ADAC zum Prüfen kommt. Dafür könnten Väter dann ihren Söhnen ein exotisches Abenteuer bieten und von längst abgeschafften Zirkustraditionen schwärmen. „Komm, wir gehen Tiger spielen auf der Kniebrücke“, sagten sie dann, und die Knirpse würden für ein paar Stunden ihr Smartphone sinken lassen.

Das mit den ertüchtigten Absturzsicherungen wirft natürlich auch ein besonderes Licht auf die grünen Gesellen. Sind die überhaupt noch zeitgemäß? Gibt es nicht längst neue Regeln, die ihnen die Öhrchen verbieten? Die Öhrchen, das sind diese rechts und links unterhalb der Spitze angebrachten Metallschlaufen, in die bei Bedarf eine Kette eingehängt werden darf. Es sind natürlich keine Öhrchen, aber so wie sie da unterhalb des verdickten Ende herausragen, wirken sie halt wie Hörorgane.

Wahrscheinlich arbeitet aber im Rathaus schon längst jemand an der Ertüchtigung der grünen Gesellen. Womöglich werden sie demnächst erhöht und verdickt, damit niemand mehr über sie stolpern kann. Dass sie gefährlich sind, habe ich an eigenem Leib erfahren. Ich war ein bisschen betrunken und wollte über eine dieser die Gesellen verbindenden Ketten springen. Als Beschwipster schätzt man aber die Höhe solcher Ketten gerne mal falsch ein. Rumms lag ich auf der Nase. Ein bisschen aufgeschrammt den Arm, und die blauen Flecken konnte ich noch in der Folgewoche bewundern.

Genau deshalb plädiere ich für die Erhöhung der grünen Gesellen auf, sagen wir mal, zwei Meter zwanzig. Dann kann das mit den Stürzen alkoholbedingt Behinderter nicht mehr vorkommen, weil selbst die nicht versuchen würden, über eine solch hohe Kette zu springen.

Natürlich sähe die Stadt dann ein bisschen aus wie ein riesengroßes vergessenes Spargelfeld. Das macht aber nichts. Wir sagen dann einfach, wir hätten die Sprungschutzsicherungen ertüchtigt, und Tita Giese erklärt die grünen Stangen zum Bambuswald. Düsseldorf, die grüne Bambusstadt.

Das wäre doch mal ein Werbeslogan. Das würde die Menschen neugieriger machen als ein lächelndes D. Dafür kämen sie von überallher zu uns. Aus Wladiwostock und aus Yokohama kämen sie. Sie würden schauen und fotografieren. Den Bambuswald und die Tigergänge auf der Kniebrücke. Dann müssten sich die Kölner mit ihrem Dom warm anziehen. Dann wäre auch Düsseldorfs Ruf wieder auf Weltniveau. Oder wie sagt man so schön im Rathaus: ertüchtigt.

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