Junge Künstler bei der WZ Wenn das Sakrale übersteigert wird: Spiel mit dem religiösen Kult

Zum 140-jährigen Bestehen der WZ stellen junge Künstler in den Verlagsräumen an der Kö aus — so wie Thorsten Schoth.

Junge Künstler bei der WZ: Wenn das Sakrale übersteigert wird: Spiel mit dem religiösen Kult
Foto: Melanie Zanin

Thorsten Schoth ist einer der wenigen jungen Bildhauer in Düsseldorf, die figurativ arbeiten. Er orientiert sich an klassischen Vorbildern und an populären Alltagsthemen. Berühmt wurde sein stehendes Kleid, das er im KIT ausstellte. Es wirkte, als sei die Trägerin gerade aus der Stoffhülle ausgestiegen. Ein Kleid ohne Körper. Ein Objekt im Moment der Enthüllung. Schoth war damals noch Student in der Klasse von Katharina Fritsch und spielte mit dem Thema der Erotik sowie mit den Fragen des Faltenwurfs in der Malerei. Vorbilder waren Künstler von Botticelli und Caravaggio bis in die Gegenwart der Malerei. Nun stellt er im Girardet-Haus an der Königsallee 27 aus. Zum 140-jährigen Bestehen der WZ zeigen acht junge Künstler ihre Werke in einer Ausstellung, die durch die Unterstützung der Sammlung Philara zustande kam.

Der Meisterschüler Thorsten Schoth präsentiert einen Altar, der keiner ist. Eher die Travestie eines liturgischen Moments. Ein abstraktes Gebilde mit einer plan geschliffenen Oberfläche, in der sich nichts spiegelt. Ein klassischer Flügelaltar, der aber keine Botschaft verkündet, sondern nichts ist als weiße Farbe. Jeglicher Inhalt, jeder Verweis auf eine biblische Geschichte, ist ausgemerzt. Außerdem sind die Flügel weggeklappt. Sie öffnen sich zum Fenster hin, das dem Eintretenden versperrt bleibt.

Vor dem Altar steht jedoch auf einem Ständer ein weißes Quadrat. Es hat eine schwarze Rückseite, die auf den blanken und leergelassenen Altar abstrahlt. Das weiße Quadrat ist eine Umkehrung des schwarzen Quadrats. Und beides sind Ikonen der Kunst.

Schoth treibt das perfide Spiel mit dem religiösen Kult noch etwas weiter, indem er links und rechts vom aufgeständerten Quadrat je eine schwarze Gipsskulptur stellt, die an die Trauernden Maria und Maria Magdalena am Kreuz erinnern. Schaut man sich die Objekte genauer an, sieht man, dass es schwarze Gipsabgüsse gebrauchter Kerzenstumpen sind.

Der Künstler fand sie als Andachtskerzen bei seiner Oma und nahm sie ab. Auch dies ist ein Umkehrverfahren. Das Sakrale wird übersteigert und läuft ins Leere.

Inszenierungen wie das Kleid und der Altaraufbau liegen gar nicht so weit voneinander entfernt im Denken des Künstlers. In beiden Fällen inszeniert er mit den Mitteln der Skulptur etwas, das seinen Ausgangspunkt in der Malerei hat. Und doch bleibt die Inszenierung merkwürdig objektlos. Nichts als ein Abguss.

Junge Künstler

bei der WZ

Das war schon so, als er im Jahr 2014 eine Tüte mit einer Lakritz-Mischung kaufte, die Stückchen abgoss und wie Lakritz schwarz bepinselte. In der Tüte steckten doppeldeutige Dinge, das Klischee eines Afrikaners mit Ohrring etwa. Er baute sogar eine Badewanne, um die Abgüsse von 10 000 Kellogg’s-Teilchen zu horten. Nun ist Schoth ein Arbeitstier.

Jeweils 120 Gipsteile steckte er in eine Gussform und verbrachte viel Zeit damit, die kleinen Teile in Ton umzuformen, in Gips abzugießen und Polyestergüsse davon anzufertigen.

Eine farblich leicht vibrierende Masse war es schließlich, die in der modulierten Badewanne ruhte. Als er im Jahr 2015 in der Klasse von Katharina Fritsch seinen Abschluss machte, stellte er eine Figur mit dem Rücken zur Tür mitten in den Eingang. Die Figur band sich eine Korsage um. Der Eintretende sah einen schlanken Körper mit langem, faltigem Rock und mit einer langen Frisur. Aber niemand wusste, ob er einen Mann oder eine Frau vor sich hatte.

Die Neugier wurde geweckt, aber nicht befriedigt, denn Schoth stellte hinter die Figur eine farbige Wand, die bis zu sieben Meter unter die Decke führte. Wieder hatte der Betrachter das Gefühl, getäuscht und zugleich enttäuscht zu sein. Ging er um den Aufbau herum, merkte er, wie er auf der Rückseite eine Art Bühne vor sich hatte. Die drei Bögen als rückwärtige Wand erinnern an klassische Bühnen. Doch sie geben keinen Blick frei. So ist dies auch jetzt mit dem leeren Altar im Chefzimmer.

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