Hip-Hop made in Düsseldorf MC Killa Calle: Es geht um die dreckigen Seiten der Stadt

MC Killa Calles jagt seine Rase-Reime solo oder als Mitglied der Band Fourgruppe durchs Mikrofon. Anfang der 90er Jahre war er einer der ersten Rapper Düsseldorfs.

Hip-Hop made in Düsseldorf: MC Killa Calle: Es geht um die dreckigen Seiten der Stadt
Foto: Andreas Heller

Düsseldorf. Da ist nix mit Schickimicki. In diesem Musikvideo geht es um die dreckigen Seiten der Stadt: die verfallenen Bahnsteige, die Industriehallen, die mit Graffiti besprühten Wände. Im Hintergrund dröhnt der alte Schlager „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“, abgespielt mit der halben Geschwindigkeit des Originals, tumb und schwerfällig vor sich hin. Und dann: „Wir zeigen euch, dass Düsseldorf mehr als Kö und Rhein ist. Die Messestadt rockt — ist nicht länger ein Geheimnis. Nimzwai, Killa Calles, Düsseldorfs Finest!“, gesungen von einer Horde wildgewordener Baseballkappenträger.

Knapp zehn Jahre ist es nun her, dass dieses Video im TV-Sender Viva rauf- und runterlief. Es war das erste Ausrufezeichen in Sachen Rap aus der Stadt des Punks. Und der Protagonist des Ganzen, Killa Calles alias Christian Calles, ist immer noch aktiv. Wenn er nicht gerade seinem Beruf — der medizinischen Forschung in der Universitätsklinik — nachgeht, dann legt er entweder Platten in Clubs wie dem „Cube“, dem „Tube“ oder dem „Schickimicki“ auf. Rap natürlich.

Oder er macht selbst Musik. Als MC Killa Calles. Dann jagt er seine Rase-Reime solo oder als Mitglied der Band Fourgruppe durchs Mikrofon. Killa Calles ist dabei ganz sicher kein Popstar. „Ich bin eher die Wochenend-Fraktion“, sagt er, weil an Wochenenden keine Arbeit ansteht und er sich der Musik widmen kann. Aber: Er ist zweifelsohne ein Gründervater und Pionier. Killa Calles war Anfang der 90er Jahre einer der ersten Rapper Düsseldorfs. Natürlich, sagt er, habe er damals auch Nirvana gehört. Und Metallica. Eben jene Rockbands, die ab 1990, 1991 so aus der Versenkung auftauchten und die ganze Welt im Großen und Oberstufenpartys im Kleinen durchschüttelten.

Aber: Damals habe es hierzulande eben auch diese Bewegung gegeben, die von Bands wie den Absoluten Beginnern, Advanced Chemistry, der Fresh Family aus Ratingen oder den Fantastischen Vier angestoßen worden sei. Auf einmal war Rap nämlich deutschsprachig und gehörte nicht mehr länger der Run-DMC- und Public-Enemy-Fraktion aus den USA. „Das faszinierte mich sofort“, erinnert sich Killa Calles.

Im privaten Kreis hielt er damals die ersten so genannten „Battles“ ab — Konzerte, bei denen jeder Rapper und Möchtegern-Hip-Hopper mit seinen improvisierten Reimen gegen die Konkurrenz antrat. Von seinem Geld, das er als Zivildienstleistender verdiente, kaufte er sich simple Aufnahmegeräte, Drumcomputer und Tapedecks, um umständlich eigene Songs auf Kassetten zusammenzubauen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn: „Computersoftware gab es damals nicht.“ Und um ihn herum wuchs währenddessen die Szene. Das Konzert der rappenden, mit Anti-Polizeitexten provozierenden Crossovergruppe Body Count um Frontmann Ice-T am 10. November 1993 in der alten Philipshalle sei für ihn ein Dreh- und Angelpunkt der eigenen Hip-Hop-Geschichte gewesen. Ein Ereignis der lokalen und regionalen Szene. „Da waren alle Leute, die man kannte, in der Halle. Ein richtiges Treffen von Freunden und Gleichgesinnten.“

Außerdem wichtig war für Killa Calles, den selbst erklärten Oberbilker Jung, das Jugendzentrum an der Icklack. Dort arbeitete seinerzeit mit Jürgen Großpietsch ein Musiksozialarbeiter, der den Teenagern die Möglichkeit gab, eigene Musik aufzunehmen und Konzerte zu geben. Es bildete sich eine richtige „Szene in der Szene“, der letztlich die Rap-Crew Icklack Squad entsprang. Und die wiederum brachte Killa Calles hervor, der gemeinsam mit seinen Kollegen Jesen, Smax und Samy regelmäßig im Keller des Hauses rappte. „An den Donnerstagen stand der Hip-Hop im Mittelpunkt“, sagt er.

Zur Rap-Hochzeit des Jugendzentrums, die sich bis Mitte der Nullerjahre zog, versammelten sich dort 200 bis 300 Fans, um dem schnellen Sprechreim zu huldigen. Die logische Folge: „Die Sache zog immer weitere Kreise. Irgendwann hatten wir einen guten Draht zu den Rap-Sendungen im Musikfernsehen und waren dort präsent.“ Killa Calles bekam seine eigene Radiosendung im Düsseldorfer Bürgerfunk.

Mit Düsseldorfs Finest trat er bei großen Festivals wie dem „Splash“ auf. Und 2007 schließlich veröffentlichte er sein erstes und bislang einziges Soloalbum, „Die 1000 Gesichter des Killa Calles“, aufgenommen im nach wie vor existierenden Düsseldorfer D-Squad-Studio.

Heutzutage, sagt Killa Calles, sei es zwar etwas ruhiger geworden in Rap-Düsseldorf — wenn man mal vom Erfolg der ebenfalls hier zu verortenden Antilopen Gang oder des in der Stadt lebenden, halben Superstars des Gangsta-Genres, Farid Bang, absehe. Auch Rap-Abende im Jugendzentrum habe es schon lange nicht mehr gegeben. „Aber wir sind nach wie vor alle vernetzt.“ Zudem arbeite er an einem Nachfolger seines ersten Albums. Und all das soll heißen: Der Killa ist nicht tot. Er treibt nach wie vor sein Unwesen. Und seine Waffe ist und bleibt der Rase-Reim „made in Oberbilk“. Düsseldorfs Finest eben.

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