Hip-Hop Joker: „Tanzen war ein Befreiungsschlag“

Farid M. Baroug wurde im Iran als Teenager verfolgt. Heute gehört ihm eine Hip-Hop-Tanzschule in Friedrichstadt.

Hip-Hop: Joker: „Tanzen war ein Befreiungsschlag“
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Im Iran wurde Farid M. Baroug verhaftet, weil er Hip-Hop tanzte. Aber seine Leidenschaft wollte er sich nicht nehmen lassen. Farid M. Baroug ist begnadeter Hip-Hopper. Er verließ sein Heimatland, denn als Tänzer hätte er dort nicht frei leben können. Heute lebt der 46-Jährige mit dem Künstlernamen Joker in Düsseldorf und hat hier seine eigene Tanzschule für Hip-Hop.

Herr Baroug, Sie hatten Probleme als Teenager im Iran, weil Sie dort Hip-Hop tanzten. Für Sie ist es aber nicht einfach nur Tanz — was steckt für Sie dahinter?

Farid M. Baroug: Hip-Hop ist eine Lebensphilosophie. Der Tanzstil drückt Freiheit, Frieden, Einheit und Liebe aus, ganz unabhängig von der Hautfarbe, der eigenen Kultur oder dem Einfluss der Politik. Als sich die Afroamerikaner in den USA gegen die Diskriminierung durch die Weißen wehrten, konnten Sie mit dem Tanzstil ihre Freiheit zeigen. Mit Hilfe von Hip-Hop wollte das unterdrückte Volk seine Unabhängigkeit beweisen. In meinem Heimatland, dem Iran, gehörte ich nach der „falschen“ Revolution auch zu so einem unterdrückten Volk. Im Iran ist Hip-Hop verpönt.

Was bedeutete das für junge Hip-Hopper?

Baroug: Als der Hip-Hop Anfang der 80er Jahre aufkam, wurde der Iran durch Ayatollah Khomeini immer extremer radikal-islamisch. Alles, was mit der westlichen Kultur zu tun hatte, war verboten — auch Musik. Die Menschen sollten in diesem Leben leiden und nur beten. Wir haben uns damals privat getroffen und heimlich getanzt. Es war nicht erlaubt, so zu denken wie ich. Ein freier Geist passte nicht in das so enge System.

Was entfachte damals Ihre Leidenschaft für Hip-Hop?

Baroug: Michael Jackson hat uns fasziniert. Meine Freunde und ich, wir gehörten zu den Ersten im Iran, die sich damit beschäftigt haben. Wir hatten Videokassetten aus dem Ausland mit den Musikvideos von ihm. Dann haben wir die Choreografien nachgetanzt. Und wenn man mehr über die Musik-Ikone wissen wollte, dann kam man schnell zum Hip-Hop. Wir beschäftigten uns viel damit, aber mit der Zeit wurde die Unterdrückung in unserem Land immer stärker.

Ganz unmittelbar haben Sie das am eigenen Leib erfahren, als Sie wegen des Tanzens verhaftet wurden.

Baroug: Mein Name war in der Szene schon bekannt. Irgendwann wurde ich gefasst und kam ins Gefängnis. Da war ich 15 Jahre alt. Unter einem Vorwand hielten sie mich für einige Zeit gefangen und übten psychischen Druck auf mich aus, dass ich für immer dort bleiben müsse. Der offizielle Grund für die Haft war aber nicht das Tanzen.

Was sagte man Ihnen, warum Sie festgehalten werden?

Baroug: Es gab keinen richtigen Grund mich festzuhalten. Ich kam auch nie vor Gericht. Sie wollten zwar, dass ich mit dem Tanzen aufhöre, aber unterstellten mir politische Aktivitäten. Aber mich interessierte nur die Kunst des Tanzens.

Und trotzdem ließen Sie nicht davon ab und fassten einen Entschluss. Was bedeutete das für Sie, dass Sie nicht mehr tanzen durften?

Baroug: Nach der Zeit im Gefängnis stand für mich fest: Ich muss den Iran so schnell wie möglich verlassen. Ich kam mit dieser Art der Unterdrückung und dem Verbot, sich zu entfalten nicht zurecht. Ohne das Tanzen wollte ich dort nicht leben. Am Ende würde ich nie glücklich werden, wenn ich meine Leidenschaft für Hip-Hop verstecken müsste.

Wie ging es dann für Sie weiter?

Baroug: Ich habe erst einige Zeit in Asien gelebt und wollte in die USA. Dann hörte ich aber, dass es in Europa gerade eine große Hip-Hop-Bewegung gibt und so entschied ich mich um. Anfang der 90er Jahre kam ich nach Deutschland und unterrichtete als einer der ersten den „Urban Dance Style Hip Hop“ privat oder in Jugendzentren — und als die Nachfrage immer größer wurde in Tanzschulen.

Hat der Hip-Hop Sie verändert?

Baroug: Das Tanzen war mein Befreiungsschlag. Hip-Hop war für mich wie eine Tür zur Freiheit. Dadurch habe ich das wahre Leben gesehen und gemerkt, dass es anders sein kann.

Inwiefern merken Sie das, wenn Sie heute in Ihr Vaterland zurückkehren?

Baroug: Selbst wenn ich heute in meinem Vaterland bin, merke ich, dass ich vom Geist her den Menschen sehr fern bin. Denn ich kann mich diesem System nicht dauerhaft unterordnen. Ich fühle mich „zu Hause“ und bin froh, wenn ich zurück nach Deutschland komme.

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