Gast-Beitrag Erforderlich ist eine Allianz mit Industrieunternehmen

Was die Heine-Uni in der Forschung leisten kann im Kampf gegen multiresistente Erreger.

Gast-Beitrag: Erforderlich ist eine Allianz mit Industrieunternehmen
Foto: Robin Aust / Photography

Es gab eine Zeit Mitte des 20. Jahrhunderts, die man rückblickend als die „Goldene Ära“ der Antibiotikaforschung bezeichnet. Die bedeutenden Gruppen an Antibiotika wie die Penicilline, Aminoglykosidantibiotika, Tetracycline und andere waren gerade erst in die Therapie eingeführt worden. Die alten bakteriellen Infektionserkrankungen wie Tuberkulose, Lungenentzündungen, Kindbettfieber, die Millionen Opfer gefordert hatten, schienen ein für alle Mal besiegt.

Dieser Optimismus war verfehlt, wie wir heute wissen. Schon bald nach ihrer Markteinführung wurden die ersten bakteriellen Resistenzen gegen die neuen Wirkstoffe entdeckt. Der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen wurde seitdem durch sorglosen und unsachgemäßen Gebrauch (z. B. rezeptfreier Verkauf von Antibiotika, Verwendung bei viralen Infektionen, zu frühes Absetzen der Antibiotikatherapie), mangelnde Hygienevorschriften bzw. ihr lückenhaftes Einhalten besonders in Krankenhäusern und den massenhaften Einsatz in der Landwirtschaft massiv Vorschub geleistet.

Das Resultat sehen wir heute: Wir sind zunehmend von sogenannten multiresistenten bakteriellen Erregern bedroht, die gegen nahezu alle auf dem Arzneimittelmarkt verfügbaren Antibiotika resistent sind. In US-Krankenhäusern sterben bereits mehr Menschen an Infektionen, die durch MRSA (Methicillin-resistente Stämme von Staphylococcus aureus; Methicillin ist ein Penicillinderivat) hervorgerufen werden als an HIV/Aids und Tuberkulose zusammengenommen. Dem gegenüber steht die seit mehreren Jahren hinterherhinkende Entwicklung und Zulassung neuer Antibiotika, mit denen bestehenden Resistenzen Einhalt geboten werden kann.

Die meisten großen Pharmafirmen haben die Antibiotikaforschung mittlerweile eingestellt, da mit Medikamenten gegen chronische Erkrankungen mehr Geld zu verdienen ist als mit Antibiotika, die nur wenige Tage eingenommen werden müssen. Immer anspruchsvollere Zulassungsverfahren der Arzneimittelbehörden, die die Entwicklungskosten für neue Arzneimittel in die Höhe treiben, tun ihr übriges.

Die gesellschaftliche Relevanz einer zunehmenden Resistenz von Krankheitserregern und damit dem Rückfall in alte Zeiten, wo vergleichsweise banale Infektionen oft den Tod bedeuteten, besteht aber dennoch. Was ist zu tun? Viel stärker als zuvor muss sich die öffentliche Hand bei der Suche nach neuen Antibiotika finanziell engagieren. In den Universitäten und in anderen Forschungsinstituten wurde die Antibiotikaforschung nie aufgegeben.

Speziell an der Heine-Universität Düsseldorf widmet sich das gerade erst von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligte Graduiertenkolleg 2158 der Erforschung neuer Antibiotika, ausgehend von in der Natur vorkommenden Substanzen. Der Fokus liegt dabei auf seltenen und bisher kaum untersuchten Organismen wie z. B. endophytischen Pilzen (Pilze, die im Inneren von Pflanzen leben) sowie auf Meeresorganismen wie Schwämmen.

Die Forscher der Heine-Universität konnten in Vorarbeiten zum Graduiertenkolleg zeigen, dass hier ein großes Potenzial an bisher unbekannten biologisch aktiven Substanzen existiert, das nun untersucht wird. Universitäten wie die HHU können zwar neue Ideen für die Antibiotikaforschung liefern, aber angesichts der Kosten von über 500 Millionen Euro keinen Arzneistoff zur Marktreife bringen.

Es ist daher erforderlich, auch gezielt neue Forschungsallianzen mit Industrieunternehmen zu fördern, um Ergebnisse der universitären Grundlagenforschung auch zur Anwendung zu bringen. Ein Rückfall in die Zeit vor der Entdeckung der Antibiotika muss unbedingt aufgehalten werden.

Prof. Peter Proksch (Foto: Robin Aust/HHU) ist Leiter des Instituts für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie

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