Sebastian Riemer - dem Geheimnis auf der Spur

Sebastian Riemer veredelt den Blick auf das Alltägliche.

Düsseldorf. Sebastian Riemer verließ Ende Februar die Kunstakademie mit dem Akademiebrief. Der Meisterschüler von Thomas Ruff ist nun freier Fotokünstler. Der 28-Jährige hat das Glück, von der Kunst leben zu können. Er jobbt in der Kunstsammlung, macht Führungen und Workshops. Außerdem hat er in Clara Maria Sels eine Galeristin gefunden.

Sein Aha-Erlebnis war eine Klassenfahrt mit dem Kunstlehrer zur Rauschenberg-Ausstellung in Köln. Der Schüler fand zunächst alles furchtbar: "Das war für meinen bürgerlichen Kunstverstand unmöglich. Aber dann fiel mir auf, dass da jemand die Alltagsdinge veredelt und etwas Schönes daraus schafft." Das wollte er auch. Er landete an der Kunstakademie bei Thomas Ruff, von dem der Neuling aus Oberhausen nichts wusste. Was ihm bald imponierte, war die Art, wie der berühmte Professor immer wieder neue Bildmotive fand und ausreizte.

Beim Rundgang 2006 fiel der Student erstmals auf. Er zeigte ein Bild, das er vom Heckfenster eines Autos auf die Frontscheibe des hinter ihm fahrenden Wagens gemacht hatte. Es war sehr malerisch und flüchtig, und es erfüllte nicht die Wunschvorstellungen von Lieschen Müller nach Präzision und Erkennbarkeit. Das Foto bestand aus blaugrünen Wolken, die sich in der Windschutzscheibe des Gegenübers spiegelten. Und es zeigte das leicht verschwommene Gesicht der Frau am Lenkrad fast schon wie eine abstrakte Komposition. Ein geheimnisvolles Foto, das der Betrachter selbst entschlüsseln musste.

Sebastian Riemer liebt den Balanceakt zwischen dem Gegenstand und seiner bloßen Andeutung. Das Gesicht kommt aus den Tiefen des Bildes hervor. Er umschreibt es so: "Der Kopf ist versunken und die Gesichtszüge müssen geborgen werden. Der Betrachter muss das Bild selbst entdecken. Gelingt ihm das nicht, sieht er nur plane Flächen."

Bei Sels zeigt er eine Fechtmaske mit Drahtgitter, die wie ein Schutzhelm getragen wird. Der Kopf des Sportlers mit den weißen Zähnen taucht auf wie eine Fata Morgana und verschwindet wieder. Der direkte Zugriff bleibt verwehrt, der Betrachter erahnt etwas hinter der Fechtmaske, das aber nur schemenhaft erscheint.

Eine Frontscheibe am Auto, ein Alublech oder Raster vor einem Lautsprecher sind die Motive, in denen sich Fenster, Menschen oder Oberlichter spiegeln. Immer überlagern sich die Bilder des Alltags, der Blick ins Innere und die Reflexe von Scheiben. "Es ist alles echt, nichts digital manipuliert", sagt er. Und dahinter verbirgt sich ein Geheimnis.

Die Fotos kann man sich in der Galerie, Poststraße 3, anschauen.

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