Wo die Schüler mitregieren dürfen

Die Montessori-Schulen haben wieder besonders viele Anmeldungen. Schulleiterin Barbara Esser kennt Vorzüge und Ansprüche.

Frau Esser, was macht Montessori für Eltern so attraktiv, dass sie ihre Kinder sogar in andere Stadtteile fahren lassen, um sie an eine Schule wie Ihre zu schicken?

BarbaraEsser: Die Montessori-Pädagogik bieten die Möglichkeit zur Individualisierung durch das Angebot eines strukturierten Lern- und Entwicklungsmaterials. Die Kinder planen und reflektieren Ihren Lernprozess beispielsweise durch das Führen von Lerntagebüchern. Sie müssen sich die Lerninhalte selbst erarbeiten und werden dadurch selbstständiger. Dazu wird durch die gemeinsame Unterrichtung der Jahrgangsstufen eine hohe soziale Kompetenz erreicht. Da helfen die Großen den Kleinen, und umgekehrt schauen sich die Kleinen etwas ab.

Wie gut sind die Eltern, die sich mit ihrem Kind bewerben, über die Lehrinhalte an Ihrer Schule informiert?

Esser: Viele hatten ihren Nachwuchs bereits in einem Montessori-Kinderhaus und wissen, was auf sie zukommt. Das gilt nicht nur für den Unterricht, sondern auch für den hohen Einsatz, den die Eltern bei Veranstaltungen und der Kinderbetreuung zeigen. Einige kommen aber auch, weil sie gehört haben, dass Montessori gut für ihre Kinder sei.

Wie reagieren Eltern, die mit dem Montessori-Konzept noch nicht vertraut sind, auf das geforderte Engagement?

Esser: Die meisten sind schnell überzeugt und bleiben dabei. Nur wenige schrecken vor der Mitarbeit zurück. Eltern von Kindern mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) raten wir jedoch von einem Besuch bei uns ab. Die absichtlich breit gestreuten Reize in unserem Unterricht überfordern sie, anstatt zu helfen.

Wie werden die Eltern konkret in den Schulbetrieb eingebunden?

Esser: Sie arbeiten aktiv mit, zum Beispiel bei der Organisation des Weihnachtsbasars und des Schulsportfestes. Nachmittags betreuen sie verschiedene sportliche oder sprachliche Arbeitsgemeinschaften. Es gibt sogar eine Chinesisch-AG. Eine Mutter kümmert sich ganz allein um die Schulzeitung.

Haben die Schüler auch etwas zu sagen?

Esser: Ja, die Kinder sind da sehr aktiv. Es gibt zwei Klassensprecher, mit denen ich mich alle sechs Wochen treffe. Dort beraten wir dann Verbesserungswünsche der Schüler. So wurden zum Beispiel zuletzt die Toiletten nach ihren Vorgaben verschönert.

Empfinden Sie es angesichts sinkender Schülerzahlen als Konkurrenz, dass einige Schulen Montessori-Zweige einrichten, um sich für Schüler und Eltern attraktiver zu machen?

Esser: Nein, als Vertreterin dieses Ansatzes finde ich das sogar sehr positiv. Je mehr solche Schulen es gibt, desto besser.

Glauben Sie, dass der Montessori-Ansatz sich zukünftig generell als Grundschulmodell durchsetzen kann?

Esser: Das wäre wünschenswert, denn die Lehrmethoden haben sich bewährt. Aber der Aufwand für die dazu benötigten Arbeitsmaterialien dürfte zu hoch sein, als dass jede Schule damit ausgestattet werden könnte. Ohne die Spenden der Eltern und des Fördervereins könnte unsere Schule auch nicht existieren.

Kann Ihre Schule der steigenden Nachfrage pädagogisch und räumlich noch gerecht werden?

Esser: Im Moment haben wir 390Schüler, bei 420 ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Es wird gerade das Dachgeschoss ausgebaut, so dass wir etwas mehr Platz bekommen. Aber wir haben nur eine Turnhalle, einen kleinen Schulhof und keine eigene Aula. Mehr ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Zwei Drittel der Eltern wollen eine Ganztagsbetreuung. Dem versuchen wir durch die Umstrukturierung des Schultages gerecht zu werden.

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