Pink Floyd in Düsseldorf Voll auf Löschpapier: Mein Trip in der Philipshalle

Zur Musik von Pink Floyd und mit einem „Trip“ für zehn Mark in der Philipshalle: eine wirklich unvergessliche Erinnerung.

Pink Floyd in Düsseldorf: Voll auf Löschpapier: Mein Trip in der Philipshalle
Foto: Henning Kaiser/dpa

Düsseldorf. Ich wollte das jetzt auch mal wissen mit den Drogen. Alle taten das, ich wollte das auch. High sein. Dabei sein. All das überprüfen, was sie mir so erzählten von den bunten Bildern, von den verschwimmenden Wahrnehmungsebenen, vom anderen Bewusstsein. Ich ging also nachmittags in die Altstadt, auf die Neubrückstraße. Da reihten sich im November 1972 die angesagten Lokale aneinander, das heute legendäre Creamcheese, der Clou und wie sie noch alle hießen. Fast wichtiger aber war das davor.

Man konnte den Weg vom Grabbeplatz bis zur Ratinger Straße nicht bewältigen, ohne nicht mindestens fünfmal Drogen angeboten zu bekommen. Alles war im Angebot. Haschisch und LSD, alles da. Da ich als Nichtraucher den Rauch nicht in meine Lungen bekam, blieb mir die große Raucherfahrung verwehrt. Also sollte es direkt LSD sein, ein Trip. So hieß es damals und klang nach großer Reise.

Alle in meiner Klasse hatten schon einen Trip eingeworfen. Ich wollte das auch. Ich kaufte ein Stückchen Löschpapier für zehn Mark. Das war enorm viel Geld, aber für diesen Tag sollte es etwas Besonderes sein. Pink Floyd waren schließlich in der Stadt, und deren im Vorjahr veröffentlichtes Album „Meddle“ drehte sich ohne Unterlass auf meinem Plattenspieler.

Besonders das fast 24 Minuten lange Stück „Echoes“ hatte es mir angetan. Wenn „Echoes“ lief, sah ich Bilder, die kein Fernseher vorrätig hatte, einfach so. Ich dachte, dass man dieses Erlebnis mit einem Trip noch toppen könnte und warf das Löschpapier also ein, bevor ich mich aufmachte zur Philipshalle. Als ich die betrat, merkte ich, dass ich mir den Drogenkauf eigentlich hätte sparen können, denn über dem Publikum in der ausverkauften Halle schwebte eine Wolke, die eindeutig vom Verglühen illegaler Substanzen kündigte.

Man musste nur einatmen, schon war man high. Dachte ich. Klappte aber nicht, weil ich halt nicht rauchen konnte. Also wartete ich darauf, dass die Wirkung meines Trips einsetzen würde. Das würde das ultimative Erlebnis. Ich und „Echoes“ und der Trip. Jawoll. Aber erst mal war nichts mit „Echoes“. Pink Floyd kamen auf die Bühne und spielten Stücke, die ich nicht kannte. Die ich gar nicht kennen konnte, denn die zugehörige Platte „Dark Side Of The Moon“ sollte erst im März 1973 in die Läden kommen. Pink Floyd probierten einfach mal live aus, was noch gar nicht Vinyl geworden war.

Das klang nicht schlecht, aber es war halt nicht, was ich erwartet hatte. Hätte ich damals gewusst, dass „Dark Side Of The Moon“ sich jahrelang in den Charts halten würde, wäre ich sicherlich ein wenig ehrfürchtiger gewesen. So aber war ich ein wenig verärgert. Ich wollte „Echoes“, und ich wollte meinen Trip spüren, wollte genießen, wie meine Sinne verwirbelt wurden. Plötzlich setzte die Wirkung meines Trips ein. Auf einmal kam die Musik von überall. Sie wirbelte geradezu um mich herum. Boah, ey, war ich stoned.

Ich schloss meine Augen und wog meinen plötzlich sehr leicht gewordenen Körper im Takt der Musik. So war das also mit LSD. Ehrlich gesagt, hatte ich mir ein wenig mehr versprochen davon. Ich hatte immerhin zehn Mark für den Trip ausgegeben. Aber in dem Moment analysierte ich das noch nicht allzu kritisch. Ich war halt high und hatte damit am nächsten Tag in der Schule etwas zu erzählen. Das machte mich stark. Irgendwann hatten Pink Floyd dann das neue Zeug durch und kramten in ihrer Mottenkiste. Irgendwann erklang auch „Echoes“. Wow! Was für ein Erlebnis! So ist das also auf Droge. Die Musik kommt von vorne, von hinten, von der Seite, von überall. Ich stieß meinen Nebenmann an und sülzte ihn voll. „Ich bin voll drauf“, sagte ich: „Die Musik ist in mir. Sie kommt von überall. Trip, verstehste?“ Mein Nebenmann lächelte, packte mich bei der Schulter und drehte meinen Körper zum Hallenende.

Dort standen riesige Boxen. Das hatte es vorher noch nicht gegeben. Quadrophonischen Sound probierten Pink Floyd hier aus, und ich war mittendrin, umgeben von Musik, umgeben von „Echoes“. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich realisierte, dass ich nicht nur das Opfer meiner Wünsche geworden war. Der Trip, den mir der Dealer angedreht hatte, war nämlich nichts weiter gewesen als ein unschuldiges Stück Löschpapier. Nichts drin. Ein linker Trip. Ich war high gewesen, weil ich high sein wollte, und weil Pink Floyds Musik damals schon Droge genug war. Die Boxen hatten das ihre getan. Und natürlich die magische Zugabe: „Set The Controls For the Heart Of The Sun“.

Ich erzählte das natürlich in der Form niemandem in der Schule. Ich berichtete von meinem geilen Trip und wie ich regelrecht abgehoben war. Danach war ich mit den Drogen durch. Bis heute reichen mir die 24 Minuten von „Echoes“. Und die Erinnerung an meinen geilen „Trip“ in der Philipshalle.

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