Serie: Die besten Düsseldorfer Live-Konzerte Als Jochen Hülder ’ne Party gab

Ein Festival nur mit Neuer Deutscher Welle — der spätere Hosen-Manager versuchte es 1981.

Serie: Die besten Düsseldorfer Live-Konzerte: Als Jochen Hülder ’ne Party gab
Foto: Richard Gleim

Düsseldorf. Wir schreiben 1981: MTV geht erstmals auf Sendung, die Friedensbewegung in Deutschland erlebt ihren Höhepunkt, Ronald Reagan wird 40. Präsident der USA, Phil Collins’ „In The Air Tonight“ muss sich in den deutschen Jahrescharts mit einem Euro-League-Platz zufrieden geben, der „Ententanz“, „Stars On 45“ und „Fade To Grey“ von Visage verkauften einfach viel mehr Schallplatten (CDs werden erst 1982 im Markt eingeführt). Und Jochen Hülder gibt ’ne Party.

Ein Jahr, bevor der gebürtige Solinger Manager und sechstes Mitglied der Toten Hosen wurde, verdingte er sich als Konzertveranstalter. Und er dachte schon damals groß. Bis dato hatte sich noch keiner mit lediglich heimischen Bands an die Philipshalle rangewagt. Nun also, eine Art Mini-Festival der Neuen Deutschen Welle, stilecht am „Tag der Deutschen Einheit“, damals noch am 17. Juni.

Eigentlich hätten Die Krupps dabei sein müssen. Sie waren aus der Stadt und schwer angesagt. „Wir wurden komplett ignoriert, obwohl wir gerade schon echt was am Laufen hatten. Die ‚Stahlwerksinfonie’ und die Konzerte drumherum, das war nicht ungehört geblieben, das konnte man nicht ignorieren, aber der Veranstalter Jochen Hülder wollte uns auf keinen Fall dabei haben,“ (Jürgen Engler in „Electri_City“ von Rüdiger Esch, Suhrkamp). Statt Stahlophon also The Wirtschaftswunder, die mit ihrer bearbeiteten Titelmelodie der Fernsehserie „Der Kommissar“ einen kleinen Underground-Hit gelandet hatten, und Palais Schaumburg aus Hamburg. Die waren zwar auch schwer angesagt, live nervten sie aber so, dass sich viele bereits nach zwei Songs (nicht nur der Sound war grottig) zurück ins Foyer begaben.

Das alte Philipshallen-Entree verfügte über einen Glamour-Faktor wie die Bahnhofsmission, ein anonymer Eingangsbereich ohne Atmosphäre. Dieser nüchterne Ort diente jahrzehntelang als Kommunikations-Hotspot für Düsseldorfer Konzertgänger. Einige der Wir-sind-die-Szene-Typen sind vor lauter Wave hello and say goodbye den ganzen Abend über gar nicht erst in die Halle gekommen.

Verpasst hatten sie erstmal nichts, denn der Gig der Fehlfarben ohne ihren charismatischen Sänger Peter Hein, der die Band kurz zuvor verlassen hatte, verhieß schon im Vorfeld nichts Gutes. Gitarrist Thomas Schwebel konnte ihn als Sänger und Showman nicht annähernd ersetzen. Dazu legte der zur Verstärkung geholte Choleriker Uwe Jahnke sich mit den Punks in den ersten Reihen an. Ein Desaster. Peter Hein stand so im Publikum, dass jeder seiner alten Bandkollegen ihn von der Bühne aus sehen konnten. Zumindest er hatte Spaß.

DAF (eigentlich: Deutsch-Amerikanische-Freundschaft) waren natürlich die Attraktion des Abends. Sie hatten jetzt eine eigene Tapedeckwand mit zwanzig Sony-Kassettenrecordern (für jeden Song ein Deck), die wie eine Kunstinstallation auf die Bühne drapiert wurden. Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl befanden sich auf dem Zenit ihres Erfolges. Der spanischstämmige Gabi gab mit seinen ekstatischen Bewegungen das Role-Model für den zeitgenössischen Pogo-Dance, Roberts Frisuren und Rhythmen ließen das völkische Herz schneller schlagen. Erstmals berichtete die Tagesschau zur Primetime über einen NDW-Act.

Der Aufsehenerreger war natürlich ihr geschickt inszeniertes faschistoides Image. „Eigentlich ist es eine Entmystifizierung des Faschismus. Wir haben diese Tabuwörter wie Hitler und Mussolini in einen lächerlichen Disco-Zusammenhang gebracht. Aber es ist vor allem respektlos, Adolf Hitler und Jesus Christus in einem Atemzug zu nennen.“ (Delgado in „Electri_City“). Und als bei diesem Mega-Hit „Der Mussolini“ so viele Fans auf die Bühne sprangen (die „Bühnengräben“ kamen erst anschließend in Mode), dass es aussah, als würde alles im nächsten Augenblick zusammenbrechen, wurde die Punk-Philosophie, dass Band und Publikum eins sind, auf das Trefflichste zelebriert. „DAF in der Philipshalle, als die Bühne gestürmt wurde — das sind für Düsseldorf Sternstunden, da war ich Tourbegleiter. Das waren magische Momente totaler Unkontrolliertheit“ (Jäki Eldorado s.o.).

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