Zu Gast im Geheimgarten von „Opa“ Haefs

Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nimmt Platz bei Menschen, die etwas zu erzählen haben. Heute: „Opa“ Haefs, Musikbeauftragter der Fortuna.

Zu Gast im Geheimgarten von „Opa“ Haefs
Foto: Sergej Lepke

Eigentlich wollte er längst damit aufhören, sagt der Mann, der von den meisten Menschen nur „Opa“ genannt wird, obwohl er doch erst 48 ist und somit noch gut 20 Jahre bis zum vermeintlichen Opa-Alter hat.

Aber wenn Marcus „Opa“ Haefs so in seinem Schrebergarten am Holztisch sitzt, auf Rasen und Blumen blickt und die Sonne genießt, dann steckt er sich gerne mal eine Zigarette an. Ein bisschen Genuss und Unvernunft müssen manchmal eben sein — obwohl er deswegen gerne mal von einem Freund aufgezogen wird, der nicht wenigen Menschen im Lande bekannt ist: Kuddel, alias Andreas von Holst, Gitarrist der Toten Hosen. „Kuddel hat ja schon vor langer Zeit aufgehört zu rauchen und wollte mir irgendwann bei meinem Entschluss, es dran zu geben, seelischen Beistand leisten. Man sieht: So ganz habe ich es trotzdem nicht geschafft. Aber ich arbeite daran und werde immer besser“, sagt Haefs.

Soll heißen: Es ist beschlossen. Genauso wie er für sich beschlossen hat in zwei Jahren, wenn er 50 sein wird, ein anderes Kapitel in seinem Leben zu beenden: Opa ist ja der Musikbeauftragte der Fortuna, sitzt bei jedem Heimspiel an einem kleinen Mischpult neben den Trainerbänken und beschert den Fans im Stadion Songs abseits der sonst in den Arenen des Landes zu hörenden Bumm-Bumm- und Schlagermusik. Begonnen hatte er damit irgendwann zu den zwischen Leid und Kult nostalgisch verklärten Oberligazeiten des Vereins. „Aber mit 50 ist es dann auch mal gut. Dann sollen andere kommen.“

Marcus Haefs will dann nur noch Fan sein und auch mal ordentlich motzen dürfen über schlechte Spieler, ohne am nächsten Tag gleich vom Vorstand angerufen und angepfiffen zu werden, wie es ihm schon mal passierte. Und: Er wird dann nicht mehr so sehr im Blick der Öffentlichkeit stehen. Das könne nämlich auch zum Problem werden. „Ich werde ja nicht von allen gemocht.“ Es gebe durchaus Fans, die ihn — auch wegen der linken Gesinnung und seiner Vorliebe für Punkrock, die er nicht zuletzt als Sänger in seiner Band Cashbar Club auslebt — harsch angehen. Beziehungsweise: Gerne mal harsch angehen würden.

Marcus Haefs

Aus diesem Grund bleibt auch der Ort des Gartens bitteschön geheim. Anstatt sich angehen zu lassen, quatscht er lieber mit den Nachbarn über den Zaun hinweg über Gott und die Welt. Zu diesem „Gott und die Welt“ gehört zweifelsohne auch Marcus Haefs’ Jugend, die geprägt war vom Eintauchen in die Punkszene rund um den berühmten „Ratinger Hof“ und auch ganz schnell zu seinem verstorbenen Vater führt. Dem Studiendirektor für Latein und Altgriechisch am Görres-Gymnasium. „Dem am meisten gebildeten Menschen, dem ich je begegnet bin“, wie er sagt. Vor allem mit ihm habe sein junges Ich damals die Pubertätsrevoluzzerkämpfe ausgetragen, denn: „Er hatte schlichtweg Angst, dass sein Sohn im Pennertum endet.“

Einmal, 1984, da habe Haefs Senior gar ohne Wissen des Filius und gemeinsam mit seinem Bekannten, einem Oberstaatsanwalt, den „Ratinger Hof“ aufgesucht. Nur, um mal zu sehen, wo sein Sohn denn so häufig abhing. „Dabei rannte er Campino und seiner Clique über den Weg, die sofort eine Runde auf seine Kosten bestellten, als sie erfuhren, dass da der Vater ihres Kumpels vor ihnen stand.“ Damals habe das ein Donnerwetter daheim gegeben. „Aber ich denke, er war insgeheim beruhigt, weil diese Jungs harmlos waren. Da hätte er auch ganz anderen, Typen begegnen können, die es damals zweifelsohne im ,Ratinger Hof’ gab. Wäre das der Fall gewesen, hätte ich da wahrscheinlich nie mehr hingedurft.“ Frieden im Zwist der unterschiedlichen Gesinnungen und Lebensentwürfe schlossen er und sein Vater dann ein paar Jahre später bei einer Urlaubsfahrt nach Norditalien, zu der ihn „mein Alter“, wie Marcus Haefs es liebevoll ausdrückt, überredete. „Natürlich hatte ich keinen Bock dazu und zog mir absichtlich ein „Ficken, Bumsen, Blasen“-Shirt der Hosen an. Dazu kamen meine blondierten Haare. Ich wollte es ihm nicht so leicht machen.“ Aber dann vereinbarten die beiden, dass jeder von ihnen eine Kassette mit seiner Lieblingsmusik auf- und mitnehmen würde, um diese im Auto gemeinsam zu hören. Und dann habe Vater Haefs irgendwann tatsächlich gesagt, dass von dem Krach, den sein Sohn da höre, ja gar nicht alles so schlimm sei.

„Und ich wiederum hatte ein Erweckungserlebnis, als wir durch die Po-Ebene fuhren. Denn: Dabei aus dem Fenster zu gucken und Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ zu hören, führte dazu, dass ich zum ersten Mal im Leben Musik wirklich sehen konnte.“ Und so wie er mit Klassik und der Musik des Studiendirektors seinen Frieden machte, so machte das auch der Studienrat mit dem Rock’n’Roll: „Mein Vater ging zuletzt mit zu Konzerten der Hosen und sagte einmal: „Junge, jetzt weiß ich, warum du immer auf diesen Punk abgefahren bist: Es muss die Energie in dieser Musik sein.“

Nicht zu vergessen: Es wurde ja — trotz aller Aufmüpfigkeit — auch etwas aus seinem vermeintlich missratenen Sohn: Marcus Haefs ist heute Angestellter in der PR-Abteilung eines Kreditinstitutes in Neuss. Er liest gerne, zuletzt Goethe. Und: Vielleicht geht Marcus Haefs ja sogar mal unter die Schriftsteller: „Seit gut 30 Jahren führe ich unregelmäßig Tagebuch und verfasse aus dem Erlebten heraus Kurzgeschichten.“ Bislang nur in einer Kladde, für sich und Freunde. Aber irgendwann vielleicht auch mal öffentlich. Dann wird er am Holztisch in seinem Garten sitzen und den Kugelschreiber schwingen, nebenher im Radio Vivaldi oder The Clash hören. Und ganz bestimmt nicht rauchen.

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