Am Küchentisch mit... Bettina Masuch: „Er steht am Herd, ich sitze am Tisch“

Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Künstlern, die etwas zu erzählen haben. Heute: Bettina Masuch, Leiterin des Tanzhaus NRW.

Am Küchentisch mit...: Bettina Masuch: „Er steht am Herd, ich sitze am Tisch“
Foto: Monika Rittershaus

Düsseldorf. Bettina Masuch trägt meist Schwarz, aktuell vor allem Nachtblau, jedenfalls dunkel. Sie interessiert sich für Mode wie sie sich für alles interessiert, was mit dem Erscheinungsbild des Menschen, mit Körperlichkeit und Kunst zu tun hat. Das fing an, als sie mit 13 ihr erstes Pina-Bausch-Stück sah. Seitdem hat sie sich vom Tanz nicht mehr gelöst, seit drei Jahren leitet sie das Tanzhaus NRW. Besprechungen mit Dramaturgen verlegt sie manchmal in ihre schöne Altbauwohnung in Pempelfort. Dort kocht meist ihr Mann, der früher einmal ein Theater in Brüssel geleitet hat.

Am Küchentisch mit...: Bettina Masuch: „Er steht am Herd, ich sitze am Tisch“
Foto: Sergej Lepke

Frau Masuch, wie kommunikativ ist Ihr Küchentisch?

Masuch: Total kommunikativ. Allerdings sitzen wir am Sonntagmorgen und wenn Besuch kommt, auch schon mal an dem Tisch im Wohnzimmer. Der ist größer. Wenn mein Mann und ich jedoch alleine sind, bleiben wir in der Küche. Er steht am Herd und kocht, ich sitze am Tisch und erzähle, was los war.

Ihr Mann kocht?

Masuch: Mir fehlt wohl die Geduld zum Kochen. Ja, ich gehe lieber essen.

Sie reisen viel, sind oft auch abends im Tanzhaus NRW. Haben Sie überhaupt Zeit, Freunde einzuladen?

Masuch: Wir haben häufig Besuch, laden Freunde ein, Familie, berufliche Gäste. Auch Arbeitsbesprechungen finden schon mal bei mir zu Hause statt. Dann kann man im Gegensatz zum Büro sicher sein, nicht gestört zu werden.

Manchen Menschen ist ihr Zuhause heilig, sie sichern es gegenüber dem Berufsleben ab. Sie nicht.

Masuch: Es ist eine Frage von Vertrauen, Menschen in seine Privatsphäre hineinzulassen. Ich habe ja auch zugestimmt, an der WZ-Serie teilzunehmen. Schließlich kommt niemand von der „Gala“. Die ist aber auch nicht meine Kragenweite.

Sie waren in der Ballettschule, aber getanzt haben Sie im „Getaway“ in Solingen. Sich der Musik hinzugeben, ohne Regeln beachten zu müssen, verschafft wunderbare Momente der Selbstvergessenheit. Wie viel ist davon heute noch übrig?

Masuch: Diese Momente sind weniger geworden. Wenn ich jedoch auf einer Probe bin und Künstlern zuschaue und mich eine bestimmte Art des Ausdrucks begeistert, dann kehrt dieser intensiv-konzentrierte Zustand zurück.

Tanzen Sie manchmal einfach so?

Masuch: Ja, wenn es sich an einem Abend mit Freunden ergibt. Und zufällig in den vergangenen zwei Wochen gleich zwei Mal: bei der Verabschiedung einer Kollegin und auf der Party nach der Preisverleihung in Stendal, als uns der Theaterpreis des Bundes verliehen wurde.

Tanz aus Freude — aber treiben Sie auch Sport? Um fit zu bleiben?

Masuch: Ich gehe einmal in der Woche in der Münstertherme schwimmen. Schwimmbäder sind toll, denn es sind Orte, an denen man interessanten Menschen begegnet. Außerdem liebe ich das Solebecken, auch wenn man darin eher entspannt als schwimmt.

Beim Schwimmen spielen Körperlichkeit und Ästhetik eine große Rolle. Ist das Ihr Thema?

Masuch: Absolut, ich reagiere ständig darauf. Im Schwimmbad hatte jemand kürzlich seine Prothese neben einem Paar Flip-Flops abgestellt. In Berlin habe ich zwei sehr schöne Männer in kurzen Hosen gesehen. Einer trug eine Prothese, kein modelliertes Bein, sondern eine Stahlprothese. Er wollte seine Versehrtheit nicht kaschieren. Das irritiert zunächst, zeigt aber auch, welche Stereotypen wir im Kopf haben.

Das klingt zunächst ungewöhnlich für die Managerin einer Einrichtung, die sich mit einer so schönen Bewegungssprache wie dem Tanz beschäftigt.

Masuch: Mir haben sich die Augen geöffnet, als ich die Choreografin Claire Cunningham, die selbst körperlich beeinträchtigt ist, zum ersten Mal auf der Bühne gesehen haben. Da habe ich verstanden, was es bedeutet, als behinderte Frau angeschaut zu werden. Und ich habe verstanden, dass es auch auf der Bühne zählt, eine Vielfalt an Körperformen zu zeigen. Denn nicht anders ist die Wirklichkeit.

Sie haben zu dem Thema die Veranstaltungsreihe „Real Bodies“, wahre Körper, am Tanzhaus NRW entwickelt und mit Plakaten beworben, die echte Hingucker waren. Mit dicken und behaarten Menschen.

Masuch: Ja, weg vom Gardemaß. Es ist für uns heute ganz normal, plastische Chirurgie zu nutzen. Body Conturing ist ein großes Thema. Da wird in Zukunft noch vieles möglich sein. Das interessiert mich auch. Ich bin ein großer Science-Fiction-Fan und beschäftige mich gern mit der Frage: Wie denkt man die Welt weiter? Es gibt bis heute Tierarten, die noch unentdeckt sind. Es gibt vielleicht andere Lebewesen; warum sollten wir auch die einzigen im Universum sein? Das finde ich alles aufregend.

Das ist wie der Traum von einer Reise in ein Land, das man als Erster betritt. Haben Sie ein Traumland?

Masuch: Mein Vater hat immer gesagt: Man muss einmal die Wüste gesehen haben. Das sollte ich wohl noch erledigen. Aber mein Traumland habe ich schon gefunden, Japan.

Ich erinnere mich, von einer Reise brachten Sie grüne „KitKat“ mit Teegeschmack mit.

Masuch: Ja, das finde ich toll. Mein erster Besuch in Tokio verlief allerdings eher nach dem Motto „Lost in Translation“. Ich saß in der U-Bahn, konnte mich nicht orientieren und habe nichts verstanden. Beim zweiten Mal dachte ich: Oh weh, das wird wieder schlimm, aber es kam anders und seitdem liebe ich Japan.

Was fasziniert Sie an dem Land?

Masuch: Den Zugang finde ich immer über das Spazierengehen. Ich bin ein großer Fan von Stadtplänen. Japan selbst ist sehr kontrastreich. Technisch hat das Land die Nase vorn. Zugleich habe ich die Menschen als erdverbunden erlebt, mit einer großen Liebe zu den einfachen Dingen. Mich fasziniert auch, dass die Japaner noch im größten Chaos Struktur und Ordnung bewahren. Das entspricht auch meiner Verfasstheit.

Ihnen sagen klare Strukturen zu, kleiden Sie sich deshalb meist in Schwarz?

Masuch: Aktuell ist es Dunkelblau. Schwarz ist die Farbe der Theaterleute. Man wollte schlichtweg während einer Probe nicht auffallen.

Im eher bunten Tanzhaus stechen Sie mit Ihrer eleganten Erscheinung heraus.

Masuch: Ich weiß. Ich finde Mode klasse. Zudem ist die Art, wie ich mich kleide, ein Teil von mir. Das Tanzhaus NRW gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als soziokulturelles Zentrum, was zum Teil auch richtig ist. Jedoch ist es eben auch eine Kunstinstitution des 21. Jahrhunderts.

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