Interview Am Küchentisch mit Philipp Maiburg: „Kuschelrock gab es bei mir nie“

Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Künstlern, die etwas zu erzählen haben. Heute: Philipp Maiburg, Leiter des Open Source Festivals.

Interview: Am Küchentisch mit Philipp Maiburg: „Kuschelrock gab es bei mir nie“
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Philipp Maiburg ist beruflich viel in der Welt unterwegs. Sein nächstes Ziel ist Frankreich, wo er dieses Mal aber Urlaub macht, mit seiner Frau und den beiden Töchtern. Kurz vor Ferienstart treffen wir den künstlerischen Leiter des Open-Source-Festivals in seinem Haus in Gerresheim. Das hat zum Glück einen trockenen Keller, sonst müsste er sehen, wo er seine rund 8000 Musikplatten unterbringt, denn oben ist Schluss, sagt seine Familie.

Herr Maiburg, die Organisation des Open-Source-Festivals ist Adrenalin pur. Wie lange brauchen Sie, um herunterzufahren?

Philipp Maiburg: Man muss schon mit Euphorie und Klimax umgehen können, sonst funktioniert das nicht. Was ich grundsätzlich nicht mache: sofort nach dem Festival in Urlaub zu fahren. Ich lasse mir meist ein bis zwei Wochen Zeit. Für die Nachbesprechungen ist es hilfreich, den Schwung noch mitzunehmen. Aber keine Frage: Das Festival ist ein Mal im Jahr eine ziemliche Belastung für alle Beteiligten. Glücklicherweise hat es nun drei Mal in Folge ein positives Ergebnis gebracht. Da lässt sich vieles leichter aushalten.

Sie selbst wirken stets entspannt. Das ist fast schon unheimlich. Ist das antrainiert oder Natur?

Maiburg: Das hat sich erst mit den Jahren so entwickelt und unser professionelles Team ermöglicht mir das vor allem. Wenn meine Selbstreflektion einigermaßen stimmt, war ich allerdings nie Choleriker, nur vielleicht weniger gelassen.

Sie sind Festivalmacher, Musikbooker und auch selbst aufgetreten. Bleibt dem Musiker Philipp Maiburg überhaupt noch Zeit?

Maiburg: Das ist vorbei. Die Phoneheads hatten 2011 beim Konzert mit den Würzburger Philharmonikern ihren letzten Live-Auftritt. Um selbst Musik zu machen, braucht es viel Zeit. Ich habe jedoch einen Vollzeitjob bei Carhartt, für den ich viel unterwegs bin, das Open-Source-Festival und Projekte wie Postpost Grand Central. Da kommt einiges zusammen, was mich auch kreativ fordert. Darüber kompensiere ich wohl einiges. Ehrlich gesagt, zieht es mich momentan auch nicht ins Studio, sondern ich erfreue mich an der vielen guten Musik anderer Leute. Ich will aber nicht ausschließen, dass dies sich auch mal wieder ändert.

Wie kamen Sie zur Musik?

Maiburg: Ich habe Saxofon in der Schülerband gespielt. Irgendwann faszinierte mich das Plattenauflegen und Beatmatching mit Vinyl und dann kam eins zum anderen. 1996 bin ich aus Frankfurt nach Düsseldorf gezogen und hatte bald den Mittwoch-Abend im Unique-Club auf der Bolkerstraße. Hier lernte ich Michael Scheibenreiter kennen, wir gründeten die Phoneheads, bekamen recht schnell einen Plattenvertrag und tourten über zehn Jahre in Clubs und auf Festivals in Europa. Dann folgte 2000 noch die Gründung des eigenen Plattenlabels Combination Records. Damals habe ich viel von dem gelernt, was ich heute brauche.

Wie ist das mit der Musik zu Hause? Laut oder leise, Vorder- oder Hintergrund?

Maiburg: Meine Frau und die Töchter fordern natürlich auch ihre Slots. Musik ist jedenfalls ein großes Thema bei uns, und sie läuft fast ständig. Ich höre viel Internetradio, vor allem aber Platten. Manchmal auch gerne lauter, aber das ist zu Hause eher selten der Fall. Wenn mir danach ist, gehe ich gerne und oft auf Konzerte und ab und zu auch mal in Clubs. Das Schöne ist auch, dass sich die Arbeit am Festival sehr gut kombinieren lässt mit meiner Tätigkeit als Head of Music Global bei Carhartt. Hier bin ich täglich in Kontakt mit Bands, DJs, Labels und Veranstaltern aus der ganzen Welt und natürlich lassen sich hier Synergien nutzen.

Gibt es ein Album in Ihrem Regal, das Ihnen peinlich ist?

Maiburg: Peinlich? Nein. Also ich habe auch mal Heavy Metal gehört und habe Platten von Slayer und Iron Maiden.

Ist das peinlich?

Maiburg: Nein, hätte man bei mir aber vielleicht nicht erwartet. Aber hey, ich bin 45 und hatte, wie jeder andere auch, so einige Musikphasen von Metal, EBM, Wave, NDW, Punk, Hip Hop... Aber Kuschelrock gab es bei mir zum Beispiel nie. Die CDs habe ich meinen Freundinnen schon als Teenie versucht auszureden.

Ihr erstes Album?

Maiburg: The Cure, Seventeen Seconds glaube ich. Ich habe alle Cure-Alben bis 1985. Musikalisch sozialisiert wurde ich vor allem durch Freunde meiner drei älteren Schwestern.

Wie viele Platten besitzen Sie?

Maiburg: Um die 8000. Die Hälfte sind Maxis aus meiner DJ-Zeit. Die meisten Platten stehen im Keller, der Gott sei Dank trocken ist.

Musiker und Musikmacher schlafen nie und leben nachts. Geht das mit Familie?

Maiburg: Ich führe keinen Rock ‘n Roll Lifestyle. Wir haben zu Hause einen ganz normal strukturierten Familienalltag. Die Nächte tanze ich nur noch selten durch, das geht auch mit der Summe der Aufgaben energetisch schon gar nicht. Finde ich aber auch ganz gut so. Der wildere Lifestyle gehört den jüngeren Menschen. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt zum Beispiel einen Silverager-Stammgast im Salon den ich dufte finde. Er ist immer da, wenn ich auch mal dort bin und tanzt bis zum Ende durch. Das finde ich auch wieder super gut.

Wie halten Sie sich fit? Treiben Sie Sport?

Maiburg: Ja, ich spiele mit Begeisterung schlecht Fußball. Seit zwölf Jahren mit einer Truppe im Rheinpark und mit einer Hobbyliga Mannschaft. Wenn möglich zwei Mal pro Woche. Außerdem gehe ich laufen und bewege mich wenn möglich mit dem Fahrrad fort...

Raute oder Fortuna-Wimpel?

Maiburg: Raute. Aber ich bin kein Die-Hard-Fan und nur so zwei bis drei Mal pro Saison beim Spiel im Nordpark. Der Verein ist für die Stadt identitätsstiftend, ich bin damit aufgewachsen und ihm vermutlich für immer verbunden.

Sie bespielen viele attraktive Orte in Düsseldorf. Das gefällt nicht jedem. Wie gehen Sie mit Neid um?

Maiburg: Ganz egal ist mir das nicht, aber früher habe ich mich mehr aufgeregt. Klar ist es ärgerlich, wenn Dinge erzählt werden, die einfach nicht stimmen, aber das ist ja schnell entlarvt. Allerdings habe ich 2014, als das Festival nach Ela und Starkregen auf der Kippe stand und uns sämtliche Parteien aber auch Vereine und sogar Einzelpersonen ihre Hilfe angeboten haben, gedacht, das darf nicht wahr sein, als ich hörte, dass ausgerechnet andere Kulturschaffende aktiv versucht haben, die Rettung zu verhindern. Es gibt zehn bis zwölf Festivals in der Stadt, denen unsere Inhalte — wenn überhaupt — teilweise nahe sind. Für sie steht, so viel ich weiß, unter eine Million zur Verfügung. Bei einem Kulturetat von mehr als 120 Millionen Euro.

Bleibt das Open-Source-Festival eine eintägige Sache?

Maiburg: Nein, wir möchten gerne den Freitagabend dazunehmen. Das wird jedoch noch nicht 2018 der Fall sein. Aber vielleicht ab 2019.

Wenn es zu Hause Ärger gibt, dann, weil Sie zu spät oder zu betrunken nach Hause kommen?

Maiburg: Es gibt eigentlich sehr wenig Stress bei uns. Wichtig ist zu kommunizieren, wann man wie nach Hause kommt.

Sie sind mit Diakoniechef Pfarrer Thorsten Nolting gut befreundet. Was verbindet Sie?

Maiburg: Die Musik, er kennt sich sehr gut aus, hat tolle Konzerte in der Johanneskirche und Bergerkirche möglich gemacht. Und er ist ein beeindruckender Mensch. Er führt die Auseinandersetzung mit Glauben und Lebenseinstellung nicht maßregelnd, sondern, indem er die Fragen offen in den Raum stellt. Das kannte ich so noch nicht und finde es großartig. Außerdem schätze ich es sehr, wie sich unter seinem Einfluss die Neu- und Umbauten der Diakonie-Gebäude entwickelt haben. Das trägt im Gegensatz zu vielen anderen Neubauprojekten sehr positiv zum Stadtbild bei.

Sind Sie religiös?

Maiburg: Eher gläubig. Ich bin katholisch aufgewachsen, jedoch vor zehn Jahren in die Evangelische Kirche konvertiert. Der Umgang mit den Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche hat mich damals beschäftigt und ich hatte überlegt, auszutreten.

Was hat Sie umgestimmt?

Maiburg: Einerseits der Glaube und natürlich die Tatsache, dass die Kirche so viele soziale Aufgaben übernimmt. Aber auch die Vorstellung wie unsere Gesellschaft eigentlich ohne die Reformation aussehen würde, haben mich zu dem Schritt bewegt.

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