So viele Autos wie nie

Trotz Ausbau von U-Bahn, Car-Sharing und Fahrradwegen: Die Düsseldorfer setzen weiter voll aufs Auto. Erstmals sind mehr als 300 000 PKW angemeldet. Wo bleibt die Verkehrswende?

So viele Autos wie nie
Foto: Sergej Lepke

Verstopfte Straßen nerven die Düsseldorfer immer mehr. Gleich nach den hohen Mieten ist der Verkehr bei der jährlichen Bürgerbefragung der Stadt zuletzt zum zweitgrößten Ärgernis aufgestiegen. Für mehr als die Hälfte der Teilnehmer zählten Staus 2017 zu den gravierendsten Problemen. Und der Ärger dürfte in diesem Jahr weiter zunehmen. Denn gleichzeitig wurden im vergangenen Jahr so viele Autos angemeldet wie nie: 304 410 Pkw waren das, 2008 waren es noch 266 988.

Die Zahlen gehen in etwa einher mit dem Bevölkerungswachstum. So dass die Quote Einwohner pro Auto sich etwa bei 2,1 einpendelt — was laut Greenpeace-Vergleich der 14 größten Städte Deutschlands die höchste PKW-Dichte bedeutet. Die Zahlen legen nahe: Von der so oft beschworenen Verkehrswende fehlt bislang jede Spur. Trotz U-Bahn-Baus, mehr Car- und sogar E-Roller-Sharing, trotz mehr Leihfahrrädern und Fahrradstreifen auf Hauptverkehrsachsen, die auf der Friedrichstraße sogar eine Autospur wegfallen ließen. Erschwerend hinzu kommt: Auch die Zahl der Einpendler steigt, zwischen 2000 und 2015 um 20 Prozent auf 245 000. Es wird also immer noch voller auf Düsseldorfs Straßen. Nur noch in Frankfurt gibt es mehr Pendler im Verhältnis zur Einwohnerzahl.

Wo bleibt also die viel beschworene Verkehrswende? Warum setzen immer noch so viele Düsseldorfer aufs Auto, obwohl sie gleichzeitig vom Verkehr genervt sind und es mehr Alternativen gibt?

Um es vorwegzunehmen: einfache Antworten darauf gibt es nicht. Selbst nicht beim Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, wie die dortige Expertin für Mobilität und Urbane Entwicklung Laura Gebhardt dem Gespräch vorausschickt. Dennoch hat sie auch wichtige Erkenntnisse gesammelt, die etwas Licht ins Dunkle bringen.

Grundlage dafür sind Befragungen unterschiedlicher Typen von Verkehrsteilnehmern und ihrer Bedürfnisse, auch von Autofahrern. Ergebnis: Die große Mehrheit fährt ein Auto, und wechselt das Verkehrsmittel nur sehr selten. Neben der Zweckmäßigkeit spielt auch der Wohlfühlfaktor eine Rolle. „Das Auto wird da zum Rückzugsort, an dem man endlich einmal abschalten kann.“

Eine viel kleinere Gruppe nutzt das Auto situativer, fährt öfter Fahrrad, Bahn, nutzt Car-Sharing und kombiniert das alles zum Teil sogar auf einer Strecke. Gebhardt zufolge sind das vor allem die unter 35-Jährigen, bei denen das Auto als Statussymbol zunehmend an Bedeutung verliert (und oft vom Smartphone abgelöst wurde). Gebhardts These: Je flexibler die alternativen Verkehrs-Angebote in einer Stadt sind, desto eher verzichten diese so genannten jungen Urbanen auf ein eigenes Auto. „Doch während die junge Generation weniger Auto fährt und seltener eines besitzt, sind ältere Menschen heute fitter und fahren auch länger Auto. Das gleicht sich aus.“

Wenn Städte tatsächlich eine Wende weg von der autogerechten Stadt hinbekommen wollen, müssen sie laut Gebhardt restriktiver vorgehen. Denn das Auto bleibe vor allem aus zwei Gründen stehen: Wenn Staus drohen oder es an Parkplätzen mangelt. Das hieße aus Gebhardts Sicht etwa: Parkplätze in der Innenstadt richtig teuer machen.

Gebhardt nennt zwei Beispiele von Städten, die erste ernsthafte Versuche hin zur Verkehrswende gemacht hätten. Wien etwa hat eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel eingeführt, die nur 365 Euro kostet, einen Euro pro Tag. Die Nutzerzahlen steigen dort rasant — und auch die Umsätze. Kamen dort bei der Einführung 2011 noch 2,5 Bewohner auf ein Auto, sind es nun immerhin schon 2,65. Tendenz steigend.

Zweites Beispiel: Kopenhagen. Hier wird das Fahrrad dem Auto radikal vorgezogen. Die grüne Welle ist auf die langsamere Geschwindigkeit angepasst, die Radwege werden zuerst vom Schnee befreit und zweispurig angelegt (da vom E-Bike bis zum Lastenrad ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten gefahren werden).

Das Beispiel aus Wien beeindruckt auch die Düsseldorfer Planungsdezernentin Cornelia Zuschke, sie sagt aber auch gleich dazu, dass die Rheinbahn im Moment gar nicht die Kapazitäten hätte, deutlich mehr Fahrgäste zu transportieren. „Wir müssen zunächst einmal den Takt erhöhen.“

Sie sieht eine ganze Reihe von Gründen, warum die Verkehrswende so schwerfällig in die Kurve geht. Und das, obwohl sie aus ihrer Sicht nicht zuletzt mit Blick auf die Luftreinhaltepläne notwendig ist. „Wir sind der Gesundheit verpflichtet. Es gibt keine Ausreden mehr für die Verantwortlichen.“ Also auch sie selbst.

Doch so einfach ist das eben nicht. Ein schwerwiegendes Problem für Zuschke: Die Stadt ist na h dem Krieg anders geplant worden — Freizeit, Arbeit, Wohnen und Verkehr wurden fein säuberlich voneinander getrennt. Düsseldorf ist also darauf angelegt, dass immer wieder lange Strecken zurückgelegt werden müssen. „Das heutige Leitbild ist dagegen die durchmischte Stadt, also eine der kurzen Wege.“ Klare Vorgaben bei der Entwicklung von Quartieren sollen dafür sorgen, dass dort nicht nur gewohnt wird. Auch Erholungsräume werden angelegt, Kitas gebaut, Nahversorger integriert und im besten Fall noch Mobilitätsstationen angelegt.

Die sollen gerade der jungen Generation ein breitgefächertes Angebot von Leihrädern- und Autos bis zur Bahnstation machen. „Für junge Menschen ist Mobilität ein Dienstleistungssektor und nicht mehr mit Eigentum verknüpft“, sagt Zuschke.

Und sie sieht noch weitere Ursachen dafür, warum die Verkehrswende so zäh anläuft: Auf der einen Seite sind die planerischen und finanziellen Systeme und Strukturen sehr langsam. Von einer „Überverrechtlichung“ spricht Zuschke auch und nennt als Beispiel das Projekt zur U 81. Auf der anderen Seite soll die Verkehrswende aus Sicht vieler Menschen lieber bei jemand anderem anfangen, bloß nicht bei einem selbst. Und sobald es etwa wie an der Friedrichstraße zu Problemen kommt, wollen zu viele gleich wieder das Rad zurückdrehen. „Wir dürfen uns aber nicht gleich aus der Bahn werfen lassen“, sagt Zuschke. Sie appelliert da an Verwaltung und Politik, auch gegen Widerstände die richtigen Stellschrauben zu drehen und nicht zu sehr auf Beliebtheitswerte zu schauen. „Die mit der Verkehrswende einhergehenden Veränderungen brauchen viele Jahre der Eingewöhnung.“

Eine dieser wichtigen Stellschrauben ist aus ihrer Sicht eine neue Ordnung des Lieferverkehrs. „Es ist nicht effektiv, dass nebeneinanderliegende Geschäfte von unterschiedlichen Diensten einzeln angefahren werden. Das sollte gebündelt werden.“ Sie verweist auf Unternehmen, die die Lieferungen außerhalb der Innenstadt sammeln und dann konzentriert auf den letzten Kilometern ausliefern.

Auch das könnte eine Antwort auf die vielen Fragen sein, die der Wille zur Verkehrswende weiterhin aufwerfen wird. “ Kommentar S.16

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