So erleben Flüchtlinge den Alltag

Bei einer Stadtführung gehen Teilnehmer mit und ohne Migrations-Hintergrund auf Entdeckungsreise durch Düsseldorf. Dabei darf es auch mal ausgelassen zugehen.

So erleben Flüchtlinge den Alltag
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Tragen wir mit unserem Lebensstil dazu bei, dass Menschen aus ihren Heimatländern flüchten müssen? Welche Spuren hiervon finden sich in Düsseldorf und wie ist das Leben für geflüchtete Menschen, die hier neu sind? Anstoß, um über all dies nachzudenken, bekommen Teilnehmer der Global Home Touren, die von der BUND-Jugend NRW angeboten werden.

Vom Bertha-von-Suttner-Platz hinter dem Hauptbahnhof startet die Truppe aus Interessierten und Menschen mit Fluchterfahrung den Rundgang, der in Oberbilk unter anderem zum Bürgerpark und zum Markt führt. „Von den 30 0000 Menschen, die hier wohnen, hat die Hälfte einen Zuwanderungshintergrund“, erzählt Tamara Blaich, ehrenamtliche Tour-Stadtführerin. Prompt wird der Stadtteil beim Rundgang selber zum Schauplatz: Eine türkische Hochzeitsgesellschaft feiert mitten auf der Straße ausgelassen den Auszug der Braut.

Ausgelassen wird es beim „Welt-Spiel“. Tamara Blaich hat Karten auf dem Boden verteilt, für jeden Kontinent eine. Die Aufgabe lautet: Wo wohnen die meisten und wo die reichsten Menschen auf der Welt? Ausgangsbasis ist die Zahl der Füße aller Teilnehmer, die sie auf den Karten platzieren sollen. Beine werden gegrätscht und Gliedmaßen verrenkt. Mit goldfarben angemalten Nüssen gilt es zudem, die reichsten Kontinente zu markieren. Auflösung: Auf der Asienkarte fehlten einige Beine.

Austausch und Diskussionen ergeben sich. „Afrika hat viele Ressourcen, aber wenig Reichtum“, weiß etwa einer der beiden jungen Leverkusener. Die Zwei sind selbst vor gut eineinhalb Jahren aus Syrien geflüchtet und über die Whatsapp-Gruppe auf die Global Home Tours gestoßen. „Wir waren bereits in Köln bei einem Rundgang dabei und wollen das nun auch in Leverkusen organisieren“, erzählen sie.

Beim Spot zum Thema Kolonialisierung („Ich finde es gut, wenn man darüber nachdenkt, dass die Kolonialmächte keinen einzigen Euro Entschädigung gezahlt haben“) erweist sich Teilnehmer Jochen, Historiker aus Oberbilk, als Joker. Am Ende der Tour wird der junge Mann seine neue Berufung als ehrenamtlicher Führer der Reihe entdeckt haben. Aber auch Amirs Einlassung am „Kolonialismus-Spot“ regt zum Nachdenken an. Amir, der 2013 aus Syrien flüchtete, wird beim „Spiel des Lebens“ („Kannst du... einfach zum Arzt gehen, wenn du es möchtest?) als „Busfahrer Wolfgang“ alle abziehen, während andere, darunter einer in der Rolle eines „unbegleitet Geflüchteten“ oder jemand, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, auf der Strecke bleiben.

Die Teilnehmer erfahren, dass der „17-jährige Himal“ natürlich nicht problemlos einen Tagesausflug machen kann. „In Jugendeinrichtungen ist alles sehr reglementiert“, weiß einer der jungen Leverkusener. Aber auch, dass Asylbewerber nur im Notfall, aber nicht präventiv zum Arzt gehen dürfen, wusste nicht jeder. Übrigens: Im wahren Leben hofft Amir, der Erfahrung im sozialen Bereich und sein C1-Deutsch-Zertifikat in der Tasche hat, auf ein Stipendium für das Studium der Sozialen Arbeit.

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