Sie arbeiten, wo andere trauern

24 städtische Angestellte sind Tag für Tag auf dem Friedhof Stoffeln im Einsatz. Wie ihr Alltag aussieht, haben wir uns bei einem Besuch einmal angesehen.

Morgens früh um 6 Uhr auf dem städtischen Friedhof Stoffeln: Ganz langsam kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken und verdrängen den dunklen Nachthimmel, die Vögel zwitschern, der Tag bricht an. Während viele andere sich vielleicht noch einmal im Bett umdrehen können oder gerade unter der Dusche stehen, ist eine Frau schon längst putzmunter: Rita Peglow beginnt gerade ihren Arbeitstag. Die 62-Jährige ist Reinigungskraft auf Düsseldorfs drittgrößtem Friedhof am Bittweg. Wir haben sie und ein paar ihrer Kollegen einen Vormittag lang begleitet.

Rita Peglow muss sich sputen, denn sie hat den Friedhof nicht lange für sich allein. Um 7 Uhr kommen die meisten ihrer Kollegen, und um kurz vor 8 Uhr sind oft schon die ersten Besucher da. Also schnell den Kittel an und los geht’s, als erstes in die Verwaltung. Dort putzt Rita Peglow Tische und Boden, leert Mülleimer. Anschließend muss sie rüber in das Krematorium, das ebenfalls auf dem Friedhof untergebracht ist - direkt neben der Verwaltung. Dort wischt Rita Peglow den Boden vor dem Verbrennungsofen. Zwischen den Särgen, in denen Tote liegen. Ist das nicht ein seltsames Gefühl? „Anfangs war es das tatsächlich“, sagt die sympathsche und fröhliche Frau. „Aber ich mache das jetzt seit acht Jahren, mittlerweile ist das ganz normal. Wir sind halt auf einem Friedhof.“

Sie arbeiten, wo andere trauern
Foto: Judith Michaelis

Inzwischen ist es 7 Uhr, und Friedhofsleiterin Karin Schulz öffnet die Tür zu ihrem Büro. Sie hat einiges zu tun heute, fein sortiert liegen die passenden Unterlagern schon auf dem Schreibtisch parat. Gleich wird sie erst einmal bei einer Firma anrufen, die öffentliche Toilette im Eingangsbereich des Friedhofs wird derzeit umgebaut, es geht nicht so schnell vorwärts wie erhofft. „Wir hätten gern zu Ostern alles fertig gehabt“, sagt Karin Schulz. „Das klappt nicht. Aber naja, geht halt nicht anders.“ Als erstes muss sich die Friedhofsleiterin nun aber mit ihren zwei Kollegen in der Verwaltung kurzschließen, anschließend geht es zum friedhofseigenen Betriebshof - zur Absprache mit den Vorarbeitern.

André Boos ist einer dieser Vorarbeiter, der 49-Jährige ist für Bestattungen zuständig, öffnet und schließt unter anderem die Gräber. Heute stehen aber keine Erdbestattungen an, Termine dafür gibt es nur an zwei Tagen in der Woche, Urnenbestattungen an zwei anderen Tagen. Auch heute. Für André Boos bedeutet das, sein Arbeitstag wird vergleichsweise entspannt. Von Grünflächen, auf denen Wiesengräber entstehen sollen, möchte der Vorarbeiter Äste aufsammeln. Etwas frisch ist es am Morgen schon noch, aber es regnet nicht. „Alles gut“, sagt Boos und macht sich ans Werk. „Ich arbeite mich warm.“

Rita Peglow, Reinigungskraft

Als der Vorarbeiter die Wiese erreicht, flitzt Rita Peglow an ihm vorbei - auf dem Fahrrad. „Geht einfach schneller“, sagt sie. Von der Stelle, an der die Verstorbenen angeliefert werden, bis hin zum Haupteingang würde sie zu Fuß neun Minuten brauchen, das hat sie mal getestet. „Auf zwei Rädern bin ich ratzfatz da.“

Die Reinigungskraft ist auch jetzt gerade auf dem Weg zum Haupteingang. Zu den Toiletten, genauer gesagt. Denen, in denen die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Bevor die ersten Besucher kommen, möchte sie dort saubermachen. Ihre Utensilien hat sie überall dort gelagert, wo sie sie braucht. Zwar hat ihr Fahrrad sowohl auf dem Gepäckträger als auch am Lenker einen Korb. „Das wäre trotzdem ein doofes Geschleppe“, sagt die 62-Jährige und tritt wieder in die Pedale.

Als Rita Peglow am Haupteingang ankommt, kann sie gerade noch Achim Eisenburger zuwinken, der ihr entgegenkommt. Der 54-jährige Gärtner ist eben in sein Fahrzeug gestiegen und nun auf dem Weg, um den Grünschnitt, den er geladen hat, zum Kompost zu bringen. Eisenburger hat am Eingang das Efeu nachgeschnitten. „Große Schnitte sind jetzt nicht mehr erlaubt“ sagt er. Nur bis Anfang März geht das, danach sollen brütende Vögel geschützt werden. „Aber so kleine Nachschnitte, das ist in Ordnung.“ Zu Ostern soll ja alles sauber und gepflegt aussehen. Die Fahrradständer nimmt sich der Gärtner als nächstes vor, auch die sind ein wenig zugewachsen über den Winter und sollen jetzt wieder freigeschnitten werden.

Während Achim Eisenburger noch mit den Fahrradständern beschäftigt ist, begutachtet Karin Schulz schon einmal das geschnittene Efeu. Das gehört ebenso zu den Aufgaben der Friedhofsleiterin wie auch Beratungsgespräche und Büroarbeit. Mehrmals am Tag dreht sie ihre Runden über das 43 Hektar große Gelände und sieht nach dem Rechten. Wenn sie überall hingeht, sind das durchaus lange Runden für Karin Scholz, denn der Friedhof Stoffeln hat neben 8500 klassischen Erdgräbern auch verschiedene Grabfelder - von der anonymen Urnengrabstätte über das Aschestreufeld und das orthodoxe Feld bis hin zum Grabfeld der Medizinischen Fakultät der Universität. Dort werden diejenigen beigesetzt, die ihre Körper nach dem Tod der Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben.

Karin Schulz, Friedhofsleiterin

An diesem Vormittag entdeckt die Friedhofsleiterin bei ihrer Runde nichts Außergewöhnliches. Ein paar Angehörige bepflanzen Gräber mit Frühlingsblumen. Eine Gruppe von Trauernden kommt gerade aus der Kapelle und zieht zu einem Urnengrab. Karin Scholz nickt dem Kollegen zu, der mit einem kleinen Wagen die Urne transportiert. Gleich wird er zurückkommen, denn vor der Kapelle versammelt sich bereits die nächste Trauergruppe. Ein Mann weint. „Es ist manchmal sehr schwierig, das mit anzusehen“, gibt Karin Scholz zu. Wie auch Ärzte habe sie eine professionelle Distanz entwickelt. „Aber gerade wenn Kinder sterben, geht einem das doch sehr nah.“

Mittlerweile ist es beinahe 12 Uhr, André Boos bekommt langsam Hunger. Also ab in die Kantine, einem Aufenthaltsraum mit voll ausgestatteter Einbauküche. Der Vorarbeiter packt sein Butterbrot aus und macht es sich gemütlich, auch Rita Peglow ist da. „Mahlzeit“, sagt sie. „Mahlzeit“, entgegnet er. Der Vormittag ist geschafft, jetzt ist Mittagspause.

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