Schwein gehabt: Auf den letzten Drücker - Jakobs langer Weg zum Abi

Schule: Der 20-Jährige ist durchs Abitur gerasselt. Er bekommt eine zweite Chance - und weiß sie zu nutzen.

Düsseldorf. Jakob Grodde wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein sonderlich emotionaler Mensch. Wenn der 20-Jährige von seiner Schulzeit erzählt, dann lässt er die Gefühle außen vor. Zahlen sind das, was ihm in Erinnerung geblieben ist, Punkte, die ihm für das Abiturzeugnis fehlten. Grodde war nie ein besonders guter Schüler, aber auch kein besonders schlechter. Einer eben, der die Schule nicht allzu ernst nimmt, sich lieber mit Freunden trifft, als für Klausuren zu lernen: "Ich habe das Abitur zu locker genommen, ich bin ja vorher auch immer so durchgeschliddert."

Gerade in der Oberstufe hat er die ersten beiden Defizite, in Informatik. Eigentlich hätte ihn das aufrütteln sollen, eine Fünf mehr und Grodde hätte sein Abitur vergessen können. "Ich war mir trotzdem sicher, dass ich das schaffe", sagt er. So schwer könnten die Abiturprüfungen schon nicht sein, habe er sich gedacht. Doch die Klausuren und mündlichen Prüfungen sind schwer. Grodde ist nicht der Einzige, der Probleme hat.

Die Aufgaben der Mathematik-Klausur sind kniffelig, fast unlösbar für Schüler der Oberstufe, werden Schüler, Eltern und Lehrer später beanstanden. Besonders eine Aufgabe, von Schülern auf "Oktaeder des Grauens" getauft, kann kaum ein Abiturient lösen. "Dabei hatte unser Mathelehrer uns super vorbereitet", sagt Grodde. Auch die Informatik-Prüfung läuft bei Grodde nicht so, wie er es sich erhofft. "Und in Geschichte habe ich mich irgendwie verzettelt."

Grodde sitzt gerade am Rechner und chattet mit einem Freund, als der Anruf kommt, mit dem er schon gerechnet hat. Am Telefon: Die Geschichtslehrerin, die ihm mitteilt, dass er das Abitur nicht bestanden hat. "Das war nicht schön." Zwei Monate hat Grodde Zeit, um sich auf die Nachprüfung vorzubereiten. Etliche Punkte fehlen ihm da noch fürs Abitur. "Eigentlich war das kaum zu schaffen", sagt er. Während die Freunde feiern und Zukunftspläne schmieden, klemmt Grodde sich hinter die Bücher und lernt.

Als die Nachprüfungen anstehen, fühlt er sich gut vorbereitet und tatsächlich kann er sich in Geschichte verbessern. "Da habe ich das erste Mal Glück gehabt", sagt er. Aber eigentlich habe ihn die Mathematik-Klausur gerettet. Die Kritik an den von Experten als schier unlösbar eingestuften Aufgaben häuft sich und NRWs Schulministerin Barbara Sommer lenkt ein: Die Schüler dürfen die Klausur nachschreiben. So kann sich Grodde auch in Mathematik verbessern. "Das war meine Rettung", sagt er.

Grodde besteht sein Abitur, ein Grund zum Feiern. Doch statt sich auf dem Erreichten auszuruhen, macht der 20-Jährige ein Praktikum und meldet sich kurz darauf zum Studium an. Seit Oktober büffelt er nun Elektrotechnik. "Das klappt ziemlich gut", erzählt er fast schon enthusiastisch. "Studieren ist anders als Schule - weil ich mich dafür entschieden habe. Jetzt ist Lernen eine freiwillige Sache."

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